Seitenende

Inhalt

Home

AND ALSO THE TREES

Kaum eine andere Band dieser Welt ist dermaßen ungerechtfertigt mit dem Los der Erfolglosigkeit geschlagen, wie diese Formation begnadeter Landeier aus dem verträumten Inkberrow/England. Die Rede kann zwar kaum von leeren Konzertsälen und mangelnden Plattenverkäufen sein, aber dennoch widerfährt dieser Band nicht die Hälfte des Ruhmes, der ihnen aufgrund ihrer langjährigen und qualitativ hochwertigen Arbeit gebührt.
AND ALSO THE TREES
ist der Name der Band mit den wenigsten, aber wohl gewiß treuesten Fans, die sich eine Band wünschen kann. Die in den frühen 80ern von den Gebrüdern Jones gegründete Band bestach bis zum letzten Jahr mit der konstanten Zusammenarbeit der 4 Gründungsmitglieder, welche erst mit dem Weggang des langjährigen Drummers Nick Havas auf der letzten Tournee neue Impulse durch den Ersatzmann Paul Hill gewinnen sollte. Dem mehr oder minder glücklichen Umstand, in ihren Anfangstagen häufig als Vorband von “The Cure” unterwegs zu sein, verdanken die Trees den Vorteil, auch über die Grenzen des britischen Königreichs hinaus auf ihre Musik aufmerksam machen zu können. Böse Zungen behaupten, das die Band im Fahrwasser von “The Cure” nach oben gespült worden wäre und in der Tat ist der Sound der ersten, nach ihnen selbst benannten , Platte recht familiär mit dem frühen Cure-Sound; selbiges gilt allerdings wohl kaum für die Texte und Kompositionen der Trees, die es fertigbrachten, dem Postpunk eine gewisse ländliche Note zu verleihen. Hauptsächlich geschah dies durch die geradezu zwanghafte Orientierung auf romantische Aspekte der großen 80er-Lethargie des Sängers Simon Hugh Jones, dessen literarische Wurzeln allerdings viel früher in der Geschichte der Dichtung ihren Ursprung zu haben scheinen. Dies kommt jedoch erst auf späteren Veröffentlichungen vollends zur Geltung.

Auf dem ersten Album wird noch ziemlich deutlich die Sprache des Postpunk gesprochen und dies im wahrsten Sinne des Wortes, da der Sänger die wenigste Zeit wirklich singt, sondern sich viel mehr auf das eindringliche rezitieren seiner noch relativ dunklen Texte verlegt. Getragen wird das Ganze am auffallensten durch den Gitarristen und Bruder des Sängers, Justin Jones, der später auch die Trees- Alben produzieren sollte. Selbiger läßt schon auf der ersten LP einiges von seinem einzigartigen Gitarrensound blicken, welcher in der Spielweise ähnlich einer Mandoline klingt, aber durch einen fetten Chorus und ein kurzes Delay überaus warm, voll und sinfonisch rüberkommt. Alles in allem wirkt das erste Album noch recht ungeschliffen, aber dafür birgt es hier und da schon die eine oder andere Perle innovativen Musikschaffens.

Wesentlich treffsicherer das eigentliche Fluidum der Trees gebrauchend, weißt das zweite Album “ Virus Meadow” bereits eine Anzahl Klassiker auf, die an Kraft und Energie, trotz der weitesgehend unverzerrten Sounds, nichts zu wünschen übrig lassen. Beispielsweise hat sich das erste Stück “Slow Pulse Boy” fest in das Live-Programm der Band integriert, wobei dieser Song noch immer für den letztendlichen Durchbruch der Sympathie für die Band bei dem lauschenden Publikum gesorgt hat. Auf dem ersten Blick erscheint die Platte wesentlich ruhiger und melodiöser als ihr Vorgänger, aber die gesteigerte Bedeutung der Texte und die Art, in der sie vorgetragen werden, lassen anstelle musikalischen Ruck-Zucks eine mentale Unruhe gedeihen, die durch gelegentliche Explosionen des Harmoniegefüges durch die Band noch in den Vordergrund gespielt wird. Weg von der arg zu bloßstellenden Sezierung der eigenen Persönlichkeit wendet sich S.H.Jones immer mehr der Rolle des klassischen Erzählers zu, der mit Vorliebe romantische Eskapaden mit einem Schuß Schwermut zum Besten gibt. Preisverdächtig ist in diesem Kontext in jedem Fall das letzte Lied dieser Scheibe “Virus Meadow”, welches bei der Live-Darbietung unvorhersehbare Energien freisetzt, wenn auch sehr zu Kosten der seelischen Verfassung des Sängers, welcher nach dem Song nicht selten die Ähnlichkeit mit einem suizidgefährdeten Stahlarbeiter aufweist. Die beiden folgenden Platten “The Millpond Years” und “Farewell to the Shades” brachen resolut mit der strengen Gitarre/Bass/Drums Instrumentierung der Lieder. Insgesamt ist der Sound dieser beiden Platten, die sich mit Ausnahme der etwas düsteren “Millpond Years” im Wesentlichen einer Schaffensperiode zuordnen lassen, bemerkenswert breit und flächig. Vielseitige Streicherarrangements, Klavier und Orgelklimpern, sowie der vorsichtige Einsatz kleiner Samples gestallten die Lieder vielfarbig und hörgenehm. Teilweise begeht man allerdings den Fehler, bei dem Suchen nach der 10. Overdubmelodie auch auf kleine Fragmente aus der Dur-Tonleiter zurückzugreifen, was sich keineswegs positiv auf die sonst so dichte Stimmung der beiden Platten auswirkt. Hohes kompositorisches Können beweist dieBand in jedem Fall aber in der Ausarbeitung von dem Song “Prince Rupert”, welches ein im 5/4 Takt geschriebenes altenglisches Kleinod darstellt. Bemerkenswert ist der Umstand, daß ich diesen Takt erst Jahre nach dem ersten Hören als einen solchen identifizieren konnte, was der enorm geschickten und gebundenen Rhythmuswahl zu verdanken ist. Bravo! Aber auch “Macbeth`s Head” oder “Shaletown” wissen dem geneigten Hörer zu schmeicheln in ihrer tiefgründigen und unaufdringlichen Art und Weise.

Mit dem Erscheinen des nächsten Albums wurde auch das Geheimnis um den, ins deutsche übersetzt recht eigenwillig klingenden, Bandnamen gelüftet. “Green is the Sea” ist in einem Albumtitel und Anfang des Gedichts: Green is the sea and also the trees.... Ohne Zweifel beendet dieses Album meisterhaft das erste große Kapitel der Trees-Geschichte. Der Gesamteindruck ist in jedem Falle mit “klassisch” zu betiteln, was sich sowohl auf die sinfonische Gestaltung, als auch auf die überaus elegische Atmosphäre des Werkes bezieht. Alte Grammophonsequenzen, viel akkustischer Klimbim und selbstverständlich das komplette Sinfonieorchester lassen die Instrumente zugunsten der Gesammtkomposition in den Hintergrund treten und bilden ein solides Fundament für die Reminiszenzen des Herrn Jones über die geistigen und weltlichen Vorbilder seines Martyriums. Parallelen zu einem auch nicht gänzlich unbekannt gebliebenen deutschen Dichter weisen den Weg durch einen recht abgeklärten Mystizismus, der auch ohne Totenkopf und Pentagramm seine Wirkung entfaltet. Und nicht zu vergessen die obligatorischen vertonten Biographien, in diesem Falle die des Jacob Fleet, die uns zwar in den seltensten Fällen wirklich im Leben weiterhelfen, aber dennoch einen hohen unterhaltsamen Wert besitzen. Vielleicht aus Gründen der Unfähigkeit, diese hohe kompositorische Dichte zu übertrumpfen oder auch aus dem Defizit heraus, diese Musikstücke Live in der ihnen gebührenden Form darzubieten, klingt der Titeltrack des folgenden, das zweite Kapitel der Trees einleitenen, Albums keinesfalls wie die logische Fortsetzung des bisherigen Trees-Kurses. Dem altenglischen Ideal hat man abgeschworen und sich in den 50er-Jahren Rock`n`Roll-Dandys wiedergefunden. Gewachste Tollen, Seidenhemden und die in nachdenklicher Pose bedienten Perlmutt-Gitarren führen uns weg von Schlösser und Burgen und hin zu den Bars und Bordellen eines Amerikas vor dem Vietnam-Krieg. Ein wenig Weltschmerz,ein wenig urbane Melancholie und viel Sehnsucht in einem maßgeschneiderten Nadelstreifen retten auf der “Klaxon”, so der Name des neuen Albums, altgediente Trees-Ambitionen in die (relative) Neuzeit. Die dabei auftretende Trennung von dem ursprünglichen Sound der Band kann jedoch nicht mit einer Rückbesinnung auf die Roots der Band bagatellisiert werden. Der Sound ist, obwohl in seinen Einzelheiten aus Antiquitäten bestehend, neu und bricht erstmals mit der Tradition, daß Rockabilly-Songs mit stumpfen und stupiden Lyrics haushalten müssen. Insgesamt kränkelt die von dem Gitarristen abgemischte Scheibe etwas an dem devoten Schlagzeug am Ende des Albums.

Augenscheinlich hatte man Gefallen an diesem neuen Image gefunden, denn schon die nächste Veröffentlichung “Angelfish” schlug die bereits gehauene Kerbe noch tiefer aus. Das Cover ist ein astreines 50er-Jahre PinUp-Girl, der Gitarrensound beißt sich tremolomodoliert durch das Mittenspektrum, die Hammond kommt mit ins Spiel und auf der nunmehr 7.Platte darf auch mal der Bassist als Sänger aufwarten. Nach wie vor ist man unterwegs, um in den Winkeln der Großstadt das Stückchen Romantik zu finden, an dem man dann so wunderbar zugrunde gehen kann. Eine nette Parabell aus dem “6th floor elevator blues” macht das mehr als deutlich:”`Don`t book a room above the fifth floor / if you stay at a hardluck hotel / `cause if there is a fire / the elevator will take you there...” Im Großen und Ganzen ein gelungenes Album, nicht zuletzt durch die neuerworbene hohe Geschwindigkeit mancher Songs.

Völlig überraschend kam der bereits angesprochene Ausstieg des Drummers Nick Havas auf der folgenden Platte namens “Silversoul”. Der neue Mann, Paul Hill, ist für meine Begriffe zwar etwas zu flippig/poppig und auch nicht ganz so gradlinig in der Auswahl seiner Rhythmen, paßt sich sonst aber recht gut in den neuen Trees-Kontext mit ein. Die Platte schielt ohne Zweifel ein wenig nach der modernen Art des Großstadtamusiments und gilt als ein perfekter Soundtrack zu einem Abend im “gettin`drunk in style...” Flavour. Ungeachtet dessen und der Tatsache, daß sich unsereins wohl eher kaum mit den Nöten junger Millionäre auseinanderzusetzen hat, muß man dem Album zuerkennen, daß es nach wie vor in der Trees-Geschichte bemüht ist, nicht wie sein Vorgänger zu klingen. Und jenes ist letztendlich im positiven Sinne auch gelungen. Das hier und da die Lieder etwas “groovy” rüberkommen oder auch mal etwas Drum`n`Bass zum klingen kommt, schadet nicht wirklich dem Gesamteindruck dieser Platte, obwohl die emotionale Ergreifung des Hörers im Vergleich zu früheren Alben im Rahmen des allgemein Üblichen verbleibt. Bleibt für die Zukunft dieser Band zu hoffen, daß die restlichen Musiker nicht den Anreiz verlieren immer noch mal ein paar neue Sachen in der gewohnten Perfektion auszuprobieren, um damit auch noch ein paarmal in Deutschland hausieren gehen zu können.

mb

Seitenanfang

Inhalt

Home

mail to:wb13@bigfoot.de