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Die Wiederentdeckung der Nächstenliebe

Daß man einem Land, welches saisonal von meteorologischen Ungerechtigkeiten wie grauem Himmel und eisigen Niederschlägen heimgesucht wird in der von phantasielosen Menschen liebevoll Winter genannten Jahreszeit dem seelischen Gleichgewicht zuliebe besser den Rücken kehrt, ist wohl kein Geheimtip, was es Euch erleichtern wird, den folgenden wundervollen Impressionen in Eurem drögen kleinen Hirn ein kuscheliges Dauer-Stübchen einzurichten, um fortan Eure aufge-schwämmten und verseuchten Leiber zu Botschaftern der Liebe und des Friedens umzuprägen.

Ich habe nicht vor, Euch mit Urlaubs details wie Palmen, blauem Meer, sengender Sonne und sich faul rekelnden, knackich braunen Körpern zu langweilen (die nebenbei bemerkt über Wochen den tagesumfassenden visuellen Input für mich bestritten haben). Mit zwei Faktoren konnte ich mich als ausreichend ausgestattet bezeichnen: ich hatte viel Zeit, und ich hatte viel dope. Das gab mir die Möglichkeit, mich mal wieder einem alten, in der lieben Heimat leider permanent vernachlässigten Projekt zu widmen, der Selbst-Transformation. Wenn Ihr Euch jetzt an Euer letztes Party-Koma erinnert fühlt, braucht Ihr Euch nicht gleich selbstgefällig auf die Schulter klopfen, ich rede hier nämlich von ausgedehnter kontemplativer Versenkung in die untersten, dunkelsten Schichten des persönlichen Unterbewußten mit dem Ziel der willentlichen Selbst-Neuprägung. Kurz: der Sublimierung des SELBST durch die Eliminierung negativer Energien und Prädispositionen. Es ist mir gelungen, schöpferisch in die Entwicklung meiner mind-Strukturen einzugreifen, im Angesicht des südlichen Sonnenuntergangs (und einiger verbrannter Pollen) habe ich das Wunder des kosmischen Bewußtseins erfahren. Ein Licht leuchtete in mir auf, und seine Wärme strahlte bis in die verstaubtesten Ecken des letzten Zellkerns: die Liebe. Die Liebe, die alles schafft (selbst Laibach wußten das), erlöste mich von einem alten Übel, welches wie ein blinder Fleck meine ach so spiegelreine Seele verunzierte: die Menschenverachtung. Was habe ich in meinem Leben gelästert, verarscht, geflucht und verdammt; eine stolze Ansammlung von Vorur-teilen half jederzeit bei der effektiven Abstempelung und Stigmatisierung verachtungswürdiger Zeitgenossen. Doch mit einemmal durchströmte mich diese tiefe Liebe, dieses Verständnis und die Toleranz für die Andersartigkeit meiner lieben Mitmenschen. Und es gelang mir, ein Stückchen dieser Liebe in meiner Brust zu bewahren, ich habe es Euch mitgebracht und will nun von den wunderbaren Erfahrungen nach meiner Rückkehr auf nicht nur deutschen, sondern speziell auf Hohenschönhausener Heimatboden berichten. Das erste, was mir auffiel war, daß mich eine tiefe Zuneigung zu all den bleichen und bornierten Brummelköpfen auf den Berliner Straßen erfaßt hat. Altersbedingte Fettleibigkeit erscheint mir mit einemmal als sehr erotisch, ebenso pubertäre Magersucht. Weiße, durchscheinende Haut weckt in mir Begehr und graue Augenringe verführen mich. Das von Jugendlichen gern getragene Base-Cap, dessen praktischer Nutzen mir aus dem sonnigen Süden bekannt war, erscheint mir nun auch als Status-Symbol einleuchtend. Die abwechslungsreiche Hohenschönhausener Einheitskleidung lädt mein Auge zum Verweilen ein, selbst modische Verfehlungen wie die Bomberjacke beglücken meine Retina (mensch Du, die gibt´s ja in drei Farben !). Ich finde gelangweiltes Kaugummikauen plötzlich sympathisch und Coolness sehr prickelnd, lausche gerne den platten Unterhaltungen der werktätigen Bevölkerung und entspanne mich, wenn sich pickelige Teenager über den Sinn ihres Lebens unterhalten (iih, haste jesehn, der hat ja voll die bekloppten Turn-schuhe an...).
Ich fühle mich wie von einer großen Familie umgeben, möchte alle meine lieben Brüder und Schwestern an mich drücken, die überschminkte Verkäuferin, den Straßenbahnfahrer mit Oberlippi und Nackenspoiler, die kurzhaarigen Nachwuchs-Nationalisten, die Familien im EHC-Look, die verantwortungsvollen Herren mit den Aktentaschen, die gepflegten Damen mit der klassenbewußten Abneigung gegen Ausländerkinder, die bodybuildenden Gorillas in ihren Schnellfickerhosen... Sie alle sind auf ihre Art so einzigartige, wundervolle Menschen! Ich habe Verständnis für machomäßiges Knochen-Knacken und einfältige Tussihaftigkeit, ich bewundere die simple Struktur von in Beton eingelegten Hirnen und bin überzeugt, daß jedem Hohenschönhausener mit einem Minimum an entgegengebrachter Aufmerksamkeit so manches komplexe philosophische Menschenbild zu entlocken ist. Ich halte getunete Autos nicht länger für Schrumpel-Schwanz-Kompensate, und im Lindencenter shoppen zu gehen, ist für mich eine neue Form der Sinn-Suche, des kreativen Umgangs mit den Errungenschaften von Chemie und EDV; Hochhäuser finde ich heimelig, und breite Straßen erinnern mich immer an den Strand von Goa... Was soll ich sagen - die Sonne hat mich geöffnet für die Schönheit des stolzen Menschengeschlechts, der Krone der Schöpfung. Jeden Tag gehe ich so oft wie möglich auf die Straße, in öffentliche Verkehrsmittel oder Einkaufszentren, um meine geliebten Hohenschönhausener um mich zu versammeln und mit Ihnen ein Fest der Liebe zu zelebrieren. Und ich bin glücklich, wenn der Funke überspringt, wenn sich die Gesichter erhellen und mir die Wärme tiefen Mitgefühls und purer Lebensfreude entgegenwogt! Probiert es aus, erlebt das Wunder der Verwandlung und tragt auch Ihr die Fackel der Nächstenliebe mit Euch. Hohenschönhausen ist der Hort der neuen Menschheit, die intelligenten, aufgeschlossenen, schönen und lebenslustigen Hohenschönhausener sind geradezu das ideale Rohmaterial für eine glückliche Gesellschaft! Ich hoffe, Euch ein wenig von meiner neuentdeckten Zuneigung für diese außerordentlichen Primaten mit auf den Weg geben zu können.

Ein Aufenthalt im Berliner Nordosten kann auch für Euch zu einem genußvollen Erlebnis werden, wenn Ihr Euch nur darauf einlaßt, die good vibes spürt und open minded die communication mit den - gar nicht so scheuen - Locals sucht !
Nichtsdestotrotz empfehle ich jedem, wenigstens einmal im Jahr diesem paradiesischen Ort zu entfliehen. Denn ohne den direkten Vergleich mit anderen Völkern unserer Welt könnte ich die Hohenschönhausener wohl kaum so vorbehaltlos lieben !

rog

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