Heute: Kellnern im Schloßhotel "Vier Jahreszeiten".
Unsäglich traurig blickte mich
die Anzeige des Geldautomaten, wieder einmal. Billigstnudeln,
Tomatensaucenextrakt und Billigdrehtabak empfand ich irgendwie schon wieder
als kleinen Luxus. Und ich konnte selbst beim besten Willen keinen
Exarbeitgeber ausmachen, der mir noch sowenig Geld schuldete. Kurzum: wieder
mal Pleite. Sie kennen das Gefühl sicher. Also - ich bräuchte dringend Geld!
Nach zwei Tagen kam ich auf die Idee joben zu gehen und begann mich
umzuhören, niemand wußte irgendetwas. Nach fünf weiteren Tagen fiel mir ein
das Rauchen ungeheuer schädlich ist und außerdem meine Freundin mal gefastet
hatte, was sie als sehr reinigend empfunden hatte. Gut, denn! Warum nicht?
Ich würde beides probieren. Sofort! Nach acht Tagen endlich, am Montag,
dämmerte über den Chef der Kollegin meiner Freundin (deren Vater früher mal
mein Fußballtrainer war) eine Art Aussicht auf einen Job: Hilfskellner im
Schloßhotel Vier Jahreszeiten . Geil!!! Scheiße, das kann ich doch gar
nicht!? Voll krass edel! Am neunten Tage also rief ich dort an..
Aufregendes Tuten im Hörer, gespanntes Warten. Tut, warten .Tut, warten....
Scheiße, keiner da, alles vorbei! Ich muß verhungern in einer der führenden
Industienationen der Welt! Hunger,!!!Rauchen!!!! Mittwoch, zehnter Tag.
Klingeln im Hörer: 150.000 Sterne- Hotel ,Herr Xy am Apparat,Guten Tag, was
kann ich für Sie tunfisch? . Ähh...Ja...Hans Wurst hier...ich bin und suche
blabla und würde gern. . Aha, nun- haben Sie denn schon mal? . Ach, na
klar..ich hab schon pokerlügbluff! . Na, gut! Denn kommse mal...! .
Der
Hörer fiel in die Gabel und Messer und irgendwelche Steine von meinem Herzen
gleich mit. ARBEIT! GELD! UNERMESSLICHER REICHTUM! Die Zukunft war gerettet.
Puh, das war knapp gewesen! Mensch, Alter nächstes mal kümmerste Dich aber
rechtzeitig um was Neues. Na, ja war ja noch mal gut gegangen, aber war echt
ganz schön knapp diesmal.Naja, ab Freitag wieder - GELD! Glücklich und
voller Zukunftsglaube knabberte ich zur Feier des Tages meinen letzten
Fingernagel ab, als sich ein schwarzer Ritter zwischen mich und mein
leuchtendes Morgen stellte: Das weiße Hemd! Natürlich war gepflegte Kleidung
gefordert:schwarze Hose, Weste dito, Fliege und - ein weißes Hemd! Hatte ich
aber nicht, jedenfalls keines, daß mir paßte. Scheiße, was nu? Ah,
Humana,logo! Äh ...Geld?? Woher? Keine Ahnung! Scheiße, alles vorbei!
Verloren! Game over! ´Hoffnungslos kämpft der Glücklose auf verlorenem
Posten gegen sein vorherbestimmtes Schicksal!´ ,dachte ich und weinte
bitterlich, wenn auch relativ grundlos, weil mir meine Freundin ohne viel
Tratra das Geld spendete und ich alsbald mein neues tolles Hemd hatte. Also
konnte mein neues Leben voller Reichtum und fleißiger Arbeit doch
beginnen.
Ja, Freitag würde ich als Kellner arbeit...STOP! Ich - als Kellner? Als
ich genauer darüber nachdachte, fiel mir ein und auf: Das kann ich gar
nicht! Hab keine Ahnung davon! Waren Sie schon mal durch Zufall in einem
dieser Edelst-Restaurants? Die Kellner dort sind doch unglaubliche Profis:
Durchgestylte Choreografien, aufgeführt von Menschen die eine
Mischung aus chinesischen Hochleistungsartisten, Tänzern des
Bolschoi-Theaters und trocken-perfekten British-Butlern sind. Leistung,
Perfektion, Devotion! Speisen korrekt einsetzen, Weinflaschen kunstvoll
öffnen, das ganze Tratra. Nicht, daß ich grundsätzlich ein grobschlächtiger
Bauhilfsarbeiter mit Schwielen an den Händen und stumpfem Blick wäre, das
nicht. Nur waren meine letzten Jobs mehr von dieser Art.Ohje, also doch
Hungeropfer des Großkapitalismus? Ich sah schwarz.
Nun bin ich ja wie
gesagt, eigentlich Student und als solcher latent intelligent. Also tat ich
was ein Student tut (Ja, Herr X Studenten tun auch was!) : Ich begann zu
denken. Kurz im Gedächtnis gekramt, noch mal nachgedacht und dann nochmal
überlegt und prompt erinnerte ich mich an einen alten Kumpel, welcher sich
mit solcherlei Handwerk auskennt und der mir freundlich Rat gab. Tja, so
sind die Menschen, vergessen einander, gehen ihre eigenen Wege und erst wenn
sie in der Tinte sitzen, denken sie wieder an die Leute von einst. Vergeben
Sie mir! Rufen Sie mich an, wenn Sie Hilfe brauchen! Und also endlich! Es
wurde Freitag. ´Heute!´ .Ich war bereit. Zu allem. Hose, Weste, neues Hemd -
alles bestens gebügelt. Ich war rasiert ,geduscht, Brille geputzt. Hatte
noch Teller tragen geübt und Sonstiges nochmal gründlich wiederholt ( von
rechts einsetzen, im Uhrzeigersinn,bei den Damen beginnend...) Perfekt
gekleidet. Bestens informiert. Hoch motiviert. Ich ging sogar rechtzeitig
genug los um pünktlich zu sein. Alles lief glänzend. Nachher würde ich
zurückhaltend - charmant diesen reichen Pennern ihre Porcellanplatten voll
Edel - Fraß vor die Rübe schieben, vielleicht gut Trinkgeld machen, während
im Hintergrund leise Jazzmuzak von einem stumpfen Spiel - es - noch
einmal-Sam ( oder Torsten) gespielt wurde.JAAAA!!!!Ich muss zugeben, es war
ein beeindruckend dekadentes Luxus-Prunk - Ding. Alles Echtholztäfelung,
Kristallkronleuchter, weinrote Teppiche und schwere bordeauxfarbene
Samtvorhänge. Dienstbeflissene Kellner wieselten überall umher und richteten
alles für eine Art Empfang oder Edelstcocktail-Party her. Silberne Platten
mit geilem Essen hier, Champagnerkühler da. Wie in einem krassen Film .Nur
live! Ein etwas schwuchteliger Kellner ( wohl der Chef der Serviertruppe),
führte mich kurz herum und erklärte mir, was zu tun sein würde. Gediegener
Luxus, richtig LUXUS, weil schweinereich - das sagte jede Ecke in diesem
Haus zu mir.
Der Zopf - das geht nicht! sagte er zu mir. Das war
alles was er sagte. Er - schwarzer Anzug, weinrote Krawatte -der
Oberkellner,Chef des Abends. Sagte es, drehte sich um und gab anderen Leuten
in freundlichem Ton weitere Anweisungen. Hilflos sah ich den Kellner von
vorhin an:´ Wie? Was? Und jetzt?´. Er lächelte ein bißchen bedauernd (oh,
diese Gesichtslüge!): Tja das hatte ich vorhin schon befürchtet. Wir sind
ein X-Sterne-Hotel und......... . Eiserne Fäuste, tief verbissen in tiefen
Manteltaschen; haßerfüllt knirschten die gefletschten Zähne als ich zehn
Minuten später die einsamen, dunklen Straßen von Zehlendorf, zurück zum
S-Bahnhof lief. Bader-Meinhof-Gedanken und in den Augen etwas, daß ein
Freund mal als Killerblick bezeichnet hatte. ´Eines Tages,....Eines Tages..´
Ronny
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