Seitenende

Inhalt

Home

Riesenlärm


...
Es war Sonnabendmorgen . Der Freitagabend hatte mir ungewöhnlich stark zugesetzt , aber es mußte mal wieder rein in den Schädel , was sich ohne extremes Ausschlafen nicht so einfach verdauen ließ.
Weltvergessen und säuglingsgleich, nicht in der Lage einer Fliege etwas antun zu können , eher Opfer genug, um von einer Fliege ernsthaft bedroht werden zu können, lag ich in meinem Bett, als ich den hämmernden Schmerz spürte, dessen Ursache nur mein Erwachen sein konnte.

Nach einem kurzen Hadern mit meinem Schicksal wurde mir klar , daß das dem mir angetanen Leid keinen Abbruch tut. Das Kind war also bereits in den Brunnen gefallen und nur der Gedanke an die Zukunft konnte der aufgewendeten Energie auch eine aktive Mitgestaltung des Verlaufes der Geschehnisse zu meinen Gunsten entgegensetzen. Das Ziel war also schon gesteckt : Durch mein Handeln mußte die Zukunft in für mich angenehmere Bahnen gelenkt werden !
Doch dieses Ergebnis der ersten halben Stunde angestrengten Denkens war so derart theoretischer Natur , daß ich damit nicht sofort etwas anfangen konnte. Das, was ein in Not Geratender am dringendsten braucht hat er meist am wenigsten und es zu besorgen lindert seine Not meist schon erheblich. Zum Beispiel ist der Strohhalm ,der dem Ertrinkendem fehlt für ihn wichtiger als Strohhalme für gewöhnlich sind . Ganz umgekehrt dagegen hat der in Not Geratenden meist etwas im Überfluß , das er gar nicht braucht, oder das ihn sogar bedroht, was in unserem Beispiel das Wasser wäre und an der Stelle fiel mir auf, daß mein Fall ein besonderer war , denn was mir fehlte war Systematik im Umgang mit meinem Problem und Wasser , also beides , denn an dieser Stelle schrie ein Brand aus mir, den man nicht mal mehr beschönigend einen unerklärlichen Durst nennen konnte und der in der Lage war, mich alles bis hier gewesene zu verdrängen und mich in die Küche trieb.Doch der ruckartige Versuch mich zu erheben rief mich, in schmerzlicher Form, in die Realität zurück und es war eine harte, in hämmernden Schlägen auf mich eindreschende Realität , die sich zu allem Überfluß auch noch drehte. Doch diese Schläge waren nicht in der Lage mich zu bremsen, nein, denn mit jedem Schlag erreichte ein Schwall Blut mein alkoholgeweichtes Gehirn und ließ den in den Blutpausen verblassenden Willen nach Flüssigkeit wieder grell aufleuchten. Ich schleppte mich also in die Küche und mixte, nach dem ersten Glas Wasser, Kaltschalepulver , Vitamin C und Wasser zu einem Gesöff , das mich auf den Pfad des Gelingens führen sollte und das, was ich mir am sehnlichsten wünschte, war ins Reich der Schlafenden zu gelangen.

Ich legte mich also wieder hin und versuchte einzuschlafen. „Aha“ , fuhr es mir durch den Kopf , als lautes Schranktürgeklapper mir das Tor in das ersehnte Reich des Schlafes verwehrten. Da hatte also alles begonnen. In meinem Tran hatte ich aus dem Panzer der mich an diesem Morgen umgab nicht herausgeschaut , als ich in der Küche umherschlich , doch die schmerzliche Wahrheit war durch nichts zu beschönigen; da fuhrwerkten irgendwelche Gestalten in der Küche herum . Die erste Taktik die man hier in aller Regel verfolgt ist zugleich die bequemste und wohl auch darum die erste, Abwarten! Und während ich so , vom Schlafe abgehalten , und in der Hoffnung auf Ruhe dalag, fiel mir auf , das meine Mitbewohnerin, die den Tanz in der Küche zusammen mit ihrem Freund veranstaltete, nicht zu meinesgleichen zählen konnte. Nicht nur was das randalieren zu nachtschlafender Zeit anbetraf , das sie um Myriaden von Punkten in meiner Weltordnung der Menschen sinken ließ, trieb mich zu der Annahme sie sei etwas Anderes.Sie war schon immer sehr groß geraten , also das was Großeltern stolz ein hoch aufgeschossenes Mädchen nennen, aber ich dachte mir nichts dabei und schob alles auf die Launen der Natur . Doch vor einiger Zeit verband sie sich mit einem Riesen und da war mir klar , das auch sie ein Geschöpf aus der Gattung der Riesen sein mußte, was bis hier kaum zu Komplikationen geführt hatte , aber der dauerhafte Umgang mit einem Riesen der seine Kultur noch, seinen Ahnen gleich, betrieb , sollte an ihr nicht vorübergehen. Jetzt begann ich die Geräusche, angestachelt von meinen Überlegungen, genauer zu belauschen, um zu erfahren, um welches typisch riesenhafte Ritual es sich wohl handeln würde und stellte auch sofort fest, daß das Gescharre der Küchenstülhe das mit Abstand am häufigsten vorkommende Geräusch war.

Und überhaupt wurde mir jetzt klar, daß das was dort passierte, besonders laut passierte, was wohl auch der Grund dafür war, das ich trotz meines schlaflastigen Zustandes den selbigen nicht fand. Doch meine ungeteilte Aufmerksamkeit fesselte dann ein Poltern, das ich keiner Handlung, die man typischerweise in der Küche vornimmt, zuordnen konnte. Es war ein lautes, hohles und dumpfes Geräusch, welches immer von Stuhlgepolter begleitet wurde. Dieses Szenario reizte meine Neugier so stark, das ich trotz meiner Verfassung keinen anderen Ausweg sah, als nochmals aufzustehen, um der Sache augenscheinlich teilhaftig zu werden.

Und was ich erblickte waren zwei Riesen, die mit den Stühlen und dem Mülleimer kegelten. Ja, auch ich traute meinen Augen nicht , doch es schleuderten abwechselnd die Riesen den Eimer, einer Kugel statt, auf die geordneten Stühle, am anderen Ende der Küche und stritten sich um einen, an der Wand lehnen gebliebenen, Stuhl, den die Riesin für eine Kippe und damit für ungültig hielt, was der Riese aber anders sah, denn ohne die Wand wäre der „Kegel“ ja doch umgefallen. Diese Szene verschlug mir derart die Sprache, das ich nicht in der Lage war um die mir in meinem Zustand gebührende Ruhe zu bitten. Und so zog ich zurück in mein Bett, wartete das Ende der Partie ab und schlief irgendwann, verdient und noch immer verwirrt ein.

Unausgeschlafen, R.K. !

Seitenanfang

Inhalt

Home

mail to:grauzone@wb13.de