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POST - PUNK - DECADE Teil 1

Punk ist in aller Munde :
Sei es durch die wenigen gesellschaftlichen Tabus, die er noch immer in der Lage ist zu brechen, sei es durch die Punk Veteranen, die nicht aufhören zu erzählen, wie respektlos sie mit den Idealen ihrer Zeit umgegangen sind, oder nicht zuletzt auch durch das eher geldinspirierte Interesse der Musikmedien, den Musikhörenden der Welt die Geschichte vom großen Punk-Revival unterzujubeln. Das dabei die Punkbewegung losgelöst sowohl von ihrem Ursprung als auch von ihrem Fortgang gehandelt wird, ist ein Defizit, welches mit diesem zweiteiligen Artikel aus dem Weg geräumt werden soll. Dabei soll es insbesondere um den Fortgang der Punkmusik gehen, denn dieser ist eindeutig als eine qualitative Kontrastierung vor dem Hintergrund der Masse an Punkbands in den Gründerjahren zu sehen.
Die Kriterien für diesen neu entstehenden Kontrast lassen sich nicht ganz ungelöst von der Entstehung des Punks betrachten; stellen sie doch für sich selbst eine Entwicklung der Punk-Rohmasse zu dem bis heute nur als Hilfsbegriff existierenden Post-Punk dar. Da die gesamte Entstehung der Punkbewegung diesen ohnehin begrenzten Raum noch mehr einengen würde, muß man sich auf einige wesentliche Eckdaten beschränken. Mit der Entstehung der Rockmusik in den 60ern setzte eine zwei unterschiedliche Wege nehmende Entwicklung ein, die zum einen eine fortgreifende Trivialisierung der ehemals als Protestform erdachten Musik zur Folge hatte, und zum anderen eine Perfektionierung der (spiel-)technischen Fähigkeiten, die die Rockmusik ebenfalls ihres ursprünglichen Protestcharakters beraubten und sich in endlosen Tabulaturen und Gitarren-Solis manifestierten. Beide für sich schon gegensätzliche Strömungen trafen in der Ende der 70ziger nun auch noch auf das Weltbild der in den englischen Industriestädten aufwachsenden Jugend.

Selbige, aus den untersten sozialen Schichten stammende Jugend konnte weder mit dem Sonnenschein-Hippie-Kram, noch mit den endlos Fugen sogenannter Art-Rock-Bands irgend etwas anfangen, weil sie weder die reichen Daddys für den Besuch einer Musikschule, noch die sonnigen Gemüter der Blumenkinder besaßen. Vielmehr waren sie konfrontiert mit wesentlich grundlegenderen Problemen: Arbeitslosigkeit, Drogenmißbrauch und extrem lebensfeindliche Stadtbilder.
Und nichts anderes machten sie sich zum Inhalt ihrer selbstentwickelten Ausdrucksform: Keine Liebe, sondern Krieg und keine Arien, sondern Gebrüll zu 3 Akkorden. Eine nicht zu unterschätzenden Mischung, wie der rasche Durchbruch für viele Kellerbands in den folgenden Jahren bewies. Entgegen aller anfänglicher Skepsis bewies diese Urform bereits schon eine enorme Ausdruckskraft, und dies bei dem auf das Notwendigste reduzierten Aufwand an musikalischer Finesse.

Leider ist ab diesen Punkt eine ungleiche Bewertung des nun einsetzenden Spaltungsprozesses dieser Urform zu verzeichnen, und zwar eine Spaltung in einen diese Urform vor anderen Einflüssen bewahrenden Teil und in einen diese Urform weiterentwickelnden Teil. Dabei ist zu beachten, das diesem Split keine Wertungsunterschiede beigemessen werden können, da sowohl die Urform als auch der aus ihr entstehende Post-Punk durch verschiedenste Bands zur absoluten Blüte herausgearbeitet werden konnte. Welche waren aber nun die Ambitionen vereinzelter Musiker den bestehenden und zumindest in England recht gut laufenden Punkrock zu reformieren? Mit einer spieltechnischen Weiterentwicklung hatte dieser neue Weg eigentlich nichts zu tun.
Mit Ausnahme einiger Sonderfälle glänzten die meisten Bands, verglichen mit ihren Art-Rock-Vorgängern, im Licht des feinsten Dilletantismus.

Vielmehr schien die Ausdruckskraft des Ur-Punk für viele Bands in einem solchen Maße einseitig ausgerichtet zu sein, daß eine differenziertere Behandlung der immer noch recht einfachen Musik neue Horizonte zu öffnen versprach; "Loud`n`Proud" stand nicht notwendigerweise im Konflikt zu dem Herausarbeiten von ruhigen, diese Kraft betonenden Passagen, sondern gerade solche sorgten für eine neue, emotionale Ebene des Punk, die nicht mehr nur aus dem bloßen Abkotzen über die ungehemmt wachsenden Mißstände im eigenem Viertel bestand.
Eine neue Ehrlichkeit wurde über die Akzeptanz von neuen Reaktionsmustern, wie Depressionen, Leidenschaft, Resignation und Kühle realisiert, die den Bands der Post-Punk-Ära eine gewisse Authenzität in ihrer Rolle als breite Kulturströmung verliehen. Anfangs noch in recht fließende Grenzen verstrickte neue Wege klangen wie Punk und unterschieden sich von selbigem nur durch die textliche Gestaltung neuer Inhalte. Die "Pearl Habour" von Joy Division oder "Bumsrush" von Killing Joke beispielsweise, griffen sowohl bei der Instrumentierung, als auch in der Auswahl der Song-Strukturen eindeutig in die Punk-Rock Kiste und bedienten sich dort vorrangig der lauten Gitarren und der hohen Geschwindigkeit.

Doch bald schon forderten die durch die teilweise katastrophalen Lebensbedingungen (Industrieruinen, Neubaughettos, Epilepsie im Fall I. Curtis und die Stagnation der Glücksmomente unter Drogeneinfluss) bedingten Texte über Resignation und Sehnsucht eine Gratwanderung zwischen der durch den Punk realisierten Wut und der sich durch das Lebensumfeld immer stärker in den Vordergrund drängenden Depression, welche wiederum in ihrer musikalischen Umsetzung Änderungen der Punk-Musik für sich beanspruchte. Diese hinterließen ihre Spuren zunächst in der etwas erweiterten Instrumentierung der Bands. Nicht mehr wegzudenken waren die ersten Analog-Synthies, die mit ihren Spielzeugsounds auf gekonnte Art und Weise die natürliche Umwelt des Menschen zerstörende Automatisierung aller Lebensabläufe persiflierte und zudem über die Verwendung von orchestralen Sounds auch eine gewisse Religiösität ausstrahlte. " In der Ruhe liegt die Kraft " ist wohl kaum auf einen anderen Musikstil so zutreffend, wie auf den des Post-Punk, denn obgleich die Geschwindigkeit, in der die typischen Lieder vorgetragen wurden, im Vergleich zum Punk keineswegs gedrosselt wurden, bemühte man sich um eine sehr differenzierte Arbeit mit den Möglichkeiten der Dynamik, was darauf hinauslief, daß in den Songs extrem ruhige und schnelle Strophen gehörig Spannung für den durch Gitarrenkraft explodierenden Refrain aufzubauen in der Lage waren.
Der nächste Teil soll sich mit den parallel entstehenden Kunstformen, typischen Bands und Patten dieser Zeit und dem Versuch deutscher Adaption beschäftigen.

MB

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