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Das verlorene Paradies

Auf meiner unermüdlichen Suche nach dem Mißgeschick hat mich Gott vor kurzem wieder einmal tief in den Gülle-Eimer greifen lassen, wovon auch ihr, liebe Leser, nicht ausgespart bleiben sollt.
Ich weiß nicht, wie ich es mir immer wieder gelingt die doch recht einfachen Formen des menschlichen Zusammenlebens zu unterlaufen, aber selbst mein auf das Mindestmaß beschränkter Kontakt zu meiner Umwelt ist anscheinend selbiger immer noch zu viel. Es begab sich wie folgt:
Wie ich bereits eingangs erwähnte, bin ich nicht gerade das, was man einen geselligen Typen nennt. Dies ist an sich zumindest für mich kein Problem, aber es birgt ein ums andere Mal Abgründe des Unbehagens, wenn ich gezwungen sein sollte, mein Umfeld mit anderen Personen zu teilen. Dies geschieht, wie man sich leicht vorstellen kann, täglich mit einem mir unerträglichem Ausmaß an meiner Schule, wo ich zwar ein gewisses Maß an Kontakt dahingehend vermeide, daß ich mich grundsätzlich in die entlegensten Ecken des Hörsaales verkrümele (was meist die vorderste Reihe ist), fällt es jedoch schwer, diese Taktik in den Pausen durchzuhalten, wo im Gegensatz zu den Vorlesungen der gesellschaftliche Kontakt Pflicht ist und man alleinstehend schnell zum Objekt grober Anfeindungen werden kann. Dieses Problem hab ich in erster Zeit damit zu erschlagen gesucht, daß ich gar nicht erst den Eindruck erwecken wollte, daß ich etwa alleine rumstehe, oder so... Ich bewegte mich mit konstanter Geschwindigkeit von einer Ecke des Pausenhofes in die andere und wiederholte das Spiel in diagonalen und parallelen Varianten modifiziert einem bestimmten Zufallsprinzip folgend. Da sich die Größe unseres Hofes jedoch auf wenige Meter in der Tiefe beläuft kann man sich sicher leicht denken, das auch dieses Unterfangen nicht mit dem dauerhaften Erfolg einer grundsätzlichen Lösung gepriesen war. Ich spürte bald die skeptischen Blicke der Anderen auf mich ruhen und mußte mir selbst eingestehen, das meine Tarnung aufgeflogen war. Ehe noch die ersten Steine auf mein gesenktes Haupt niederprasselten, verschwand ich behende im Hauptgebäude, wo zwar die Frequentierung meiner Feinde wesentlich geringer, aber auch die Möglichkeiten der Modifikation bei 4 Etagen mehr als zu wünschen übrig ließen. Kurz bevor ich mit einem bereits zweimal überrundeten Lehrbeauftragten das dritte mal zusammenzustoßen drohte, wich ich in einem Anflug von Panik in die sich mir nächst bietende offene Tür aus.
Was für eine Offenbarung: Sakrale Ruhe umwob mich, angenehme Kühle liebkoste mein Gesicht und das wichtigste: Ich war allein auf der Herrentoilette. Genüßlich wollte ich mich gerade anfangen zu entspannen, als mich Schritte auf dem Gang gerade noch rechtzeitig vor einem Invasoren meines Garten Edens warnten. Aber ich hatte bereits von den verbotenen Früchten der Freiheit gekostet und war ihnen in dem Maße hoffnungslos verfallen, daß ich um keinen Preis der Welt mein neu gewonnenes Paradies aufgeben wollte. Ich drang noch tiefer in die Abtei ein und fand mich schließlich sicher auf dem geschlossenen Deckel der mittleren Klokabine sitzend des Störenfriedes harrend. Ein nicht zu übersehendes rotes Etikett an der Tür, hinter der ich saß, bewahrte mich vor jedweder Störung und dem leisesten Anflug von Argwohn meiner Kommolitonen. Das von mir eroberte Paradies umschmeichelte meine Sinne und machte mich mit seiner Ruhe ein wenig schläfrig. Ich hatte noch zwei Stunden Zeit bis zur Stahlbetonbauvorlesung und beschloß ein kleines Nickerchen in der Kabine zu halten. Dazu begab ich mich von meinem Thron und kauerte mich in die der Klobürstenseite abgewandte Ecke und legte so eingklemmt zwischen Kabinenwand und Kloschüssel meinen Kopf auf meine Arme und fing an zu dösen.
Es kann noch nicht viel Zeit vergangen sein, als ich an meinem rechten Ohr ein leises „ Psst...“ vernahm. Ich ordnete dieses Geräusch zunächstmeiner noch nicht auskurierten Paranoia zu, aber selbst als ich bereits aus den Armen des Orpheus zurückgekehrt war, konnte ich mich nicht der Wahrnahme dieser leisen Anrede erwehren.
Ich öffnete meine Augen und mußte zu meiner eigenen Verwunderung recht teilnahmslos feststellen, das der Deckel des Klos, auf dem ich eben noch gesessen hatte von Innen geöffnet wurde, und aus dem Klo ein unscheinbarer Typ aus meiner Uni hervorlugte. Wir versicherten uns gegenseitig, daß wir uns nicht stören würden und nachdem dies zwischen uns klargestellt worden war, begannen wir uns flüsternd (reine Vorsichtsmaßnahme) zu unterhalten. Mir war dieser Typ noch nie aufgefallen, aber im Gespräch erfuhr ich, das er lange Zeit unter ähnlichen Konflikten wie ich gelitten, und auch er die Flucht in die Herrentoilette als den letzten noch verbleibenden Ausweg wahrgenommen hatte. Nur sei ihm eben diese mittlere Kabine über die Jahre so sehr ans Herz gewachsen, das er, wie auch ich zuvor, sich genötigt fühlte, immer tiefer in diesen Ort vorzudringen, mit dem Ziel eines Tages eins mit ihm zu werden. Ich bestätigte ihm, daß dies ihm bereits auf weiten Strecken gelungen sei, worüber er sich sehr freute. In der sich aufbauenden Sympathie füreinander bemerkten wir gar nicht, wie die Zeit verronn. In einer der auftretenden Gesprächspausen fragte er mich unvermittelt, ob ich mit ihm eimern wolle.
Geschmeichelt zum einen durch seine Offenheit und auch zum anderen durch den Fakt, das er mir immerhin zutraute, den Gebrauch von Drogen nicht nur in den Action-Serien auf RTL mitverfolgt zu haben, konnte ich nicht umhin, bereitwillig meine Einwilligung kund zu tun. Ich war anfangs ein wenig irritiert, als er die mir tatsächlich gut bekannte abgeschnittene Cola-Flasche zwischen seinen Beinen zu bestücken begann, aber schließlich waren wir nur hier sicher und wo zum Teufel hätte man sonst Wasser herbekommen sollen, wenn nicht aus dem Klobecken, welches, und diese Frage klärte sich für mich erst einige Augenblicke später, der Typ immer noch nicht verlassen wollte. Um meine Scheu vor ihm zu nehmen, nahm er auch gleich ohne lange zu zögern einen tiefen Hieb aus der Schüssel und sank mit einem leicht nachzuvollziehenden Lächeln gegen den Spülkasten. Da von ihm keine Regung mehr zu erwarten schien, griff ich mir die Flasche, und saugte an ihrem Hals während ich langsam in die Brühe zwischen seinen Beinen eintauchte. Und da geschah es: zunächst verschluckte ich mich, als ich plötzlich etwas Weiches aus dem Rauch in meine Kehle sog. Doch ehe ich mich von meinem Schrecken erholen konnte, hatte mich der Typ aus dem Klo auch schon am Kopf gepackt und mit heftigen Bewegungen desselben den von mir begonnenen Blow-Job beendet. Wie ein Wiesel drehte er sich um 180° und ließ seine Faust auf die Spülung krachen, welche ihn mit dem Wasser in dem Rohrsystem unserer Schule verschwinden lies. Meine ihm zugedachte Faust traf nur noch den Spülkasten und ließ mich mit dem Schmerz und dem Scham in meinem verlorenen Paradies zurück. Steiner

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