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Alt werden - eine Antwort

Prolog: Dieser Artikel bezieht sich auf den Artikel uebers Aelterwerden meines Genossen R.K. in der letzten grauzone. Er handelt von Arten und Weisen, trotz Alterns weiterzufeiern.Er richtet sich vor allem an Juengere. Er will zum Nachdenken anregen…

Okay, 3.Januar 2001 (Donnerstag), 2 Uhr morgens. Die drei Liter Bier, die es mir ermoeglicht hatten, diesen regnerischen Abend ueberhaupt nochmals unter Leuten zu verbringen, sind vom siechen Leib locker weggesteckt worden, und an schlafen ist nicht zu denken. Denken. Denken. Die letzte Pille ist offensichtlich noch nicht weggesteckt… Gut, dann denken wir halt ein bisschen nach. Zum Beispiel ueber das angesichts eines weiteren neuen Jahres recht aktuelle Thema des Aelterwerdens - ein Zwinkern an R.K., der mich auf diesen Film geschickt hast. Ich konnte mich naemlich in keiner seiner Kategorien wiederfinden. Also konkret versuche ich seit gut einer halben Stunde Attribute fuer meine Kategorie zu finden. Tasten wir uns langsam heran: mit Sicherheit werde ich in ein paar Jahren kein "Opfer des Fernsehprogramms" sein, auch bei vierzig digitalen Kanaelen nicht. Das mit dem "in die Ehe fluechten, um die Beschwerden des Jungseins zu beenden" halte ich fuer unwahrscheinlich, wenn ich auch nicht behaupten mag, dass ich die naechste sich bietende Gelegenheit nicht wieder beim Schopfe ergreifen werde (lieber den Spatz in der Hand…). Zu den "Ignoranten", die nicht uebers Aelterwerden nachdenken, kann ich mich auch nicht zaehlen. Nicht jetzt, wo ich diesen Artikel schreibe. Gut, die Kategorie ist umzingelt: diese Sache mit dem altersgerechten Party-Fahrplan und dem Ruhetag nach ausgiebigem Feiern. Dass man quasi mittlerweile seine Grenzen erkennt, sich diese eingesteht und ab und an eine von den anderen "Freizeitpunks" angesichts eigener einschlaegiger Erfahrungen auch nicht verfemte Auszeit einlegt. Aber halt - das ist gar nicht meine Kategorie !? Herr R.K., wir haben da wohl eine Moeglichkeit vergessen. Und zwar die geradezu zwanghafte "Flucht nach vorn". Wil heissen: nach Jahren des zermuerbenden Grenzen-anchecken-uebertreten-bereuen-undvonvorn (Homer-Neeiiin!) nach wie vor dem eigenen Muerbeteig-Koerper weitere und immer weitere Erfolge abzuringen. Nach meinen letzten anderthalb Wochen darf ich mich getrost in diese Kategorie einordnen. Und einige meiner Weggefaehrten auch. Ja, wir haben wieder angeschlagen, sind unbelehrbar gegen die Mauern der eigenen Standhaftigkeit gerannt, haben Blessuren davongetragen, sind dann irgendwie aber doch durchgekommen (haben auch noch die mit durchgeschleift, die eigentlich "mal Pause machen" wollten) und haben auf diese Art und Weise letztendlich wieder Neuland betreten. Persoenliches Neuland. So scheisse wie jetzt ging's mir noch nie! Und jetzt hab ich auch noch den Faden verloren und muss nochmal schnell drueberlesen. - Okaaayyy… so richtig weiss ich nicht mehr, worauf ich hinaus wollte. Irgendwie wollte ich den bitteren Nachgeschmack des R.K.-Artikels aufloesen und den Juengeren Mut machen und die Angst vor'm Aelterwerden nehmen. Ich hoffe, das hier macht Euch Mut. Mut zum Aelterwerden. Ich meine, es gibt Leute, die offensichtlich aelter sind als Ihr und irgendwie immer noch mehr trinken, mehr lachen und Euch ueberhaupt in Sachen Party in jeder Hinsicht ueberlegen sind. Nicht, dass ich darauf jetzt stolz waere. Es ist nur so, dass ich einen Vorsprung besitze, den Ihr einfach nicht aufholen koennt, weil ich vorne weiter ausbaue. Und im Gegensatz zu Euch am 3.1.2001 (Donnerstag) um 2 Uhr morgens noch die Kraft besitze, Euch Mut zu machen. Trotz meiner Depressionen. Trotz meiner eigenen Angst vor'm Aelterwerden, die mir keiner der Aelteren nehmen kann, weil die naemlich nicht mehr durchhalten und sich deswegen mit Sicherheit in einer der R.K.-Kategorien der letzten grauzone wiedergefunden (und sich darueber traurigerweise wahrscheinlich auch noch gefreut) haben. Vor Euch steht einer, der seinen Weg geht. Nein: rennt. Und sagt nicht, ich liefe davon. Wovor denn? Innen drin bin ich noch derselbe wie vor zehn Jahren. Und mein Koerper, die laedierte Schrottkarre, waechst mir immer mehr ans Herz. Ich habe immer mehr Ziele und immer weniger Plaene fuer meine Zukunft. Und im Gegensatz zu Euch stehe ich meinen Eltern gegenueber dazu, dass ich keinen Bock zum Arbeiten habe. Nee, ich lache ueber's Aelterwerden! Und das mit 25, wo eigentlich laengst Schluss mit lustig ist. Und nicht nur das. Ich gehe jetzt zur Tankstelle und hole mir nochmal Bier. Am 3.1.20001 (Donnerstag) frueh um 2. ¡Al Carajo!

4. Januar 2001 (Freitag), 3:15 Uhr. Gut, da sind wir wieder. Wahrscheinlich habt Ihr gedacht: na Klasse, der Typ hat 'nen guten Tag erwischt und schwafelt uns jetzt einen vom Durchhalten trotz Aelterwerden. Nee, die grauzone ist authentisch! Und ich darf behaupten, dass Schmalhans erneut nicht mein Barkeeper war. Und da ist er wieder, der Ueberlebensdrang, der erst im Alter kommt. Und sich unter anderem dadurch anzeigt, dass durchaus zu fortgeschrittener Zeit nochmal ein ausgewachsenes Mahl gezaubert wird. Dass ich dabei Sade gehoert habe (deren Name allein mir als unsensiblem Menschen vor kurzer Zeit noch die Fussnaegel gekraeuselt hat), duerft Ihr gegen mich verwenden. Da stehe ich drueber. Bin ja aelter als Ihr... Und spaeter wird natuerlich vor'm Fernseher gegessen (nein, ich fuehle mich nicht als Opfer). Dummerweise regnet's seit Tagen, die Wohnung ist feucht und der Fernseher gibt neben Knistergeraeuschen nur einen Sender her. Aber der hat's in sich: Tarot-Emissionen (passend zum Thema Zukunft). Ein Dieter-Thomas-Heck-Double mit geflochtenem Zoepfchen (was ich mal als ausgefallenen Geschmack bezeichnen moechte) und einem Glitzer-Kostuem, welches ihm in den funky 70ern freien Eintritt in jeder Bar beschert haette, praesentiert die besten Kartenlegerinnen (mit meiner besten Zukunft?!). Man kann anrufen. Einer laesst sich sogar "life" in Liebesdingen beraten, andere bestaetigen einfach nur gluecklich ihre Erfolge mit Tarot ("ich bin in meiner Firma aufgestiegen" - okay, meine Einstellung zu diesem Thema ist bekannt). Nicht einmal das macht mich muede! Stattdessen schluerfe ich den letzten Liter mit meinem marokkanischen Mitbewohner und ziehe mir auch noch die naechste Dauerwerbung rein: "SpaceBag", die Loesung fuer jeden Messie. Es handelt sich um eine grosse Plastetuete (5schichtig), in die man alle Klamotten reinpacken und danach die Luft raussaugen kann, was den Inhalt schrumpfen laesst - das spart dann wohl Platz im Haushalt. Sie zeigen einen Kleiderschrank, der mein Interesse weckt: genauso zugemuellt wie meiner. Aber irgendwie ueberzeugt mich der Ansatz nicht, dass man mit "SpaceBag" auch so Sachen wie Zeitungen (!), Foene (!!) und Werkzeug (!!!) platzsparend verpacken kann. Ich lasse mich also von meinem Marokkaner ablenken, der mir von einer franzoesischen Werbungs-Verarsche erzaehlt. Es handelte sich um eine Art Staubsauger, der "LaVache" heisst, was wohl auch "Verdammt" oder "Fuck" bedeutet. Eine Frau putzt einen Fussboden. Ein Typ tritt hinzu, und sie sieht im spiegelblanken Fussboden seine Eier (wie, hab ich nicht genau verstanden) und sie sagt: "LaVache" ("Fuck"). Ja, mit 25 lacht man ueber sowas. Inzwischen lauft Werbung fuer Salben zum Damenbart-Wegmachen. Der hinzugezogene Experte hat 'nen Vollbart, was bei mir hinsichtlich des Produkts und der Authentizitaet Fragen aufwirft, die ich in meinem Alter aber getrost unbeantwortet lassen kann (nichts ist so neugierig wie junge Menschen). Dann ist 'ne halbe Stunde ein klavierspielender Typ mit am Piano drapierter Frau (die's sicher auch fuer Gitarristen, Basser und vielleicht sogar fuer Schlagzeuger zu kaufen gibt) zu sehen, was mich dann doch Richtung Schlafstatt treibt. Ist aber auch nicht so schlimm. Sind ja immerhin inzwischen 5:20 Uhr. Und heute abend geht das Wochenende los. Und die Party weiter, hehe... Und was macht Ihr so?
Euch aus Eurer Zukunft fragend
rog

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