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Kinder, wir werden alt.

Kinder, wir werden alt.

Hinter vorgehaltener Hand wird um mich herum seit geraumer Zeit schon immer mal wieder Zwischenbilanz gezogen. Dass sich das häuft soll Anlass sein das Problem hier zu erörtern, denn ein Lifestile-Magazine wie die grauzone ist mithin verpflichtet auch die Kehrseiten des Lebens zu beleuchten.
Das wir altern ist eine Tatsache, die auf der Hand liegt und die zu leugnen nur sich selbst belügenden Ignoranten vorbehalten bleibt. Das Totschlagargument dieser Ignoranten, man sei so alt, wie man sich fühle, hat gemessen an den Indikatoren, die ich für das Altern anführen werde, soviel Gewicht wie eine Tonne Stahl im All.
Der in den von mir präferierten gesellschaftlichen Kreisen augenscheinlichste Indikator ist die Trinkfestigkeit, die wie zu erwarten mit der Lebensdauer abnimmt. Der Körper ist auf rein physischer Ebene weniger denn je in der Lage vergleichbar große Mengen an Giftstoffen ohne Nebenwirkungen abzubauen. Dieses sich daraus ergebene Leiden zermürbt aber auch die mentale Standfestigkeit, wenn es darum geht den Feind in Form von Drogen zu vernichten. Gegen die eine oder andere Plage gibt es Mittelchen, aber mit der Zeit droht dem Behandeln der Symptome die Vermeidung der Ursache und die Vermeidung der Ursache ist nur durch Rückzug aus dem gesellschaftlichen Umfeld wirksam möglich, in dem man seine Freizeit verbringt. Zu den so erlittenen Hemmnissen gesellen sich Zipperlein, die nicht direkt auf den Konsum von Drogen jeglicher Art zurückzuführen sind. So bestraft der Nacken ein Nickerchen auf einem Stuhl bei zurückgelehntem Kopf mit einer mehrere Tage andauernden Genickstarre. Oder eine, ob des Verdauten verdiente Nachtruhe auf den Stufen einer Apotheke führt zu tagelangem Krummsein statt Wohlsein. Die demotivierenden und unappetitlichen Details sonstiger sich chronisch ausbildender Krankheitsbilder will ich hier Außen vor lassen.
Weitere Altersindikatoren lassen sich auf psychisch-sozialer Ebene finden. Die Leute werden übersättigt. Man hat alles schon mal so oder so ähnlich gesehen, gelesen, davon gehört oder es selbst gemacht. Mir entlockt das Liegen auf einem Pkw-Dach bei 80 km/h nicht mehr das gleiche Gekreische wie vor 7 Jahren. Und der Anblick eines leibhaftigen Ferraris zwingt mich nicht mehr sofort meine geifernden Lefzen an die Fahrerscheibe zu drücken, um zu schauen, wie viel km/h auf dem Tacho stehen (bei der Gelegenheit schöne Grüße an alle noch verbliebenen Trottel, die glauben am Ziffernblatt des Tachometers die Höchstgeschwindigkeit eines Pkw ablesen zu können).
Zu alle dem legt man mit den Jahren Macken an. Man fährt nun mal bestimmte Wege von A nach B, von denen man mal glaubte, sie seinen die kürzesten und besten, auch wenn man im Zuge einer Wette feststellen musste, das ein anderer Weg in jeder Hinsicht Vorteile besitzt. Zur Bewältigung bestimmter Aufgaben fährt man bestimme Routinen ab, die zu überdenken wir nicht mehr bereit sind und selbst wenn uns durch diese Kontrolle die Sinnhaftigkeit eines bestimmten Vorgehens genommen wird, z.B. indem uns Jemand das Gegenteil beweisst, simd wir nicht mehr bereit unsere Vorgehensweise zu ändern - wir werden also stur und starrsinnig! (q.e.d.)
Begleitet wird all das durch den Teufelskreis des Verschrullens. Der aufgrund seiner Langwierigkeit erst mit zunehmendem Alter beobachtbar und deshalb als Indikator für Alter besonders geeignet ist. Notwendige Voraussetzung für das Verschrullen ist das Singledasein, hinreichende Bedingung das Leben in einer nur von einem selbst bewohnten Wohnung. Man ist oft unbeobachtet, allein und niemand stört sich daran, dass man so lebt wie es einem am angenehmsten erscheint. Und wenn es hier oder auch da juckt, dann kratzt man sich eben ungeniert. Oder wenn einem ein Nasengeröll oder Darmwind quer sitzt, dann raus damit und ruhig auch beim Essen! Neben dem Erodieren fundamentalster Anstandsregeln kommt es dazu, das man verlernt Kompromisse zu schließen. Wozu auch, es reicht der Stress es sich selbst recht zu machen, da fällt es immer schwerer Bedürfnisse anderer überhaupt ins Kalkül mit einzubeziehen. Dieser Prozess stellt in sofern einen Teufelskreis dar, dass die beschriebenen Symptome des Verschrullens auf die Ursache des selben zurückwirken, da die so angewöhnten Unsitten selten beeindruckend auf potentielle Lebenspartner wirken. Wer jetzt ein wenig ehrlich ist, wird zugeben, dass die Leute um ihn herum altern. Wer jetzt richtig ehrlich ist, wird dazu noch feststellen, das auch er altert. Jedoch nur selten wird darüber gesprochen. Und wenn, dann nur leise, unter vier Augen, hinter vorgehaltener Hand und in dem gemeinsamen Einvernehmen, dass das Besprochene, so es den Kreis der Verschworenen verließe vollends geleugnet werden würde.
Doch wo ein Thema von solcher Brisanz im Tiegel der Hilflosigkeit auf dem Feuer der fehlenden Situationskontrolle kocht, da dauert es nicht lange bis der Bann des Schweigens gebrochen wird und Chöre der Befreiung die Klage erheben oder einfach ein paar Leute darüber reden. Und in den Gesprächen hinter vorgehaltener Hand konnte ich mir ein Bild davonmachen, in welche Lager diese Diskussion die Meute teilen wird.

Ignoranz

Wenn man es nicht zuläßt wird man nicht alt.
Pragmatismus

Man wird alt, aber man kann was dagegen tun.
Fatalismus

Man wird alt und kann nichts dagegen tun.

Die Ignoranten leugnen das Problem völlig. Hier hinein zählen die "ich bin so alt wie ich mich fühle"-Spezialisten. Böse Zungen nennen es das Sozialarbeitersyndrom, abgeleitet aus der Tatsache, das Anhänger dieser Einstellung Gefahr laufen im Alter von 40 Jahren den Dresscode der dann jugendlichen Trendsetter nachzuahmen, um diesen treffsicher zu verfehlen. Diese Leute belügen sich selbst und sind für das Thema "Altwerden" blind und damit handlungsunfähig. (Leute, die mit Püschelchen auf dem Kopf umher laufen, brauchen sich nicht sorgen, denen mache ich ab 30 klar, das sie dadurch im Knaack trotzdem nicht mehr für die 16-jährigen in Frage kommen.)
Die Pragmatiker erkennen und akzeptieren das Problem und machen sich damit sehend, im Gegensatz zu den Ignoranten. Das Gebot nach 6 Tagen Arbeit soll ein Tag der Ruhe folgen lässt sich durchaus auch auf das Partyverhalten des gemeinen Freizeitpunkers anwenden, ohne die Diskriminierung seines Partyumfeldes fürchten zu müssen.
Das Problem erkennend, aber es als solches nicht zu akzeptieren kennzeichnet die Fatalisten unter uns. Totale Hörigkeit und Scheu vor den Beschwerden des Jung-Bleibens zwingt diese Menschen in die Ehe und auf die heimatliche Couch. Lethargie und Stumpfsinn regieren ihren Alltag und die Gewissheit: " ... ja früher war alles heftiger, aber was will man machen, man wird halt alt.
Meine Berufung ist es an dieser Stelle das Eis zu brechen und zur Diskussion aufzurufen, um in ein paar Jahren nicht die eine Hälfte meiner Freunde an das tägliche Fernsehprogramm verloren zu haben und mich für die andere Hälfte schämen zu müssen, weil sie P16-Etablissements den jugendlichen Charme rauben.

... für das Altwerden sensibilisierend, R.K.

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