Seitenende

Inhalt

Home

Kleine Rache II

6.30 Uhr.Samstag. Bei Manne im zweiten Stock klingelt der Wecker. Grunzend wälzt er sich herum und flucht über den Chef, der ihm diese verdammte Samstagssonderschicht auferlegt hat: " Manne, bis Dienstag müss´n wah fede sain sons jbs kee Jell meah, denn sin wa plaite. Aba raischt, wennde hall achte hia bist." und lächelt ihm gnädig zu. Also quälte Manne sich aus dem Bett.
Oma Schmidt im Ersten schlurft zum Fenster und starrt hinunter auf die Strasse. Die ganze Nacht hatte sie wieder kein Auge zugemacht, vielleicht kommt ihr Paulchen ja gerade heute wieder und da will sie wach sein und ihn empfangen. Nein, sie wird ihm nicht böse sein und die Schwester von der Hauspflege hat ja sowieso keine Ahnung. Ihr Paulchen iss nich schon acht Jahre tot., nee nee. Der iss sicher nur mit so nem jungen Hüpfer weg, aber er wird wieder zu ihr zurück kommen. Oma Schmidt weiss das genau.
Nebenan ist der schwäbische Student gerade sturzbetrunken nach Hause gekommen und kniet jetzt mit heruntergelassener Hose auf dem Küchenboden. In was für abgefahrenen, megatollen Läden er heute aber auch wieder war und was er in Berlin nicht wieder alles erlebt hat. Und gesoffen hat er wieder, sapperlot, hahaha. Nur leider- mit den Mädels hat´s wieder mal nicht geklappt. Alles eingebildete Tussen hier in Berlin. Bei ihm daheim war des laischter. Also kauert er jetzt, vom Schluckauf geschüttelt in der Küche und weiss kaum noch, dass er an seinem schlabbrigen Pimmel herumschubbert. Eigentlich ist er höllemüde und absolut dicht, aber seine Hand poliert monoton weiter. Plötzlich bäumt er sich auf, versucht noch es zurückzuhalten, aber es bricht einfach hervor und er kotzt sich über das T-Shirt, besabbert sich von oben bis unten und die Siffe ergiesst sich über seinen Schoss. Er ekelt sich und schläft dann, zur Seite gefallen ein.
Auch im Erdgeschoss kehrt langsam Feierabend ein. Die Kneipe hat sich geleert, die meisten Gäste sind schon weg, Nur zwei, drei Stammgäste und eine Kollegin sitzen noch am Tresen und starren in den hellen Sommermorgen hinaus, während ich die Tische hochstelle, die Aschenbecher auskippe und abwasche, den Thresen putze... Buaaähh- was für eine kranke Nacht wiedermal. Oh Mann, es is so unglaublich, wie peinlich die Leute werden, wenn der Suff ihnen den letzten Rest von Selbstachtung raubt. Mann oh Mann. Naja, wahrscheinlich bin ich auch so wenn ich besoffen bin. Geb´s Gott, hoffentlich wenigstens nicht ganz so heftig!!! Nee eigentlich glaub ich, dass ich nicht bin. Nicht SOOO!
Ähhh.. ich bin fertig! Noch schnell den Rest saubermachen, dann Abrechnung und vielleicht noch nen Feierabenddrink....
Draussen am Fenster tauchen drei Figuren auf: Zwei Typen und eine Frau. Sie starren hoffend herein, öffnen dann zaghaft die Tür: " Kriegen wir hier noch n letztes Bier?" fragt sie zweifelnd. Ja, gut, warum nicht. Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an. Die drei Stammgäste müssen eh noch austrinken, was noch n bisschen dauern wird und ich habe auch noch zu tun- also warum nicht: "Aba nur noch nen Schnelles. Ich mach gleich zu." " Oh danke...ja wir können noch rein!". Der eine Typ und das Mädchen setzten sich ans Fenster und fangen am zuknutschen, während sie an ihrem Bier rumschlürfen. Dem Dritten wird das zu langweilig und er macht einen Fehler: Er kommt and en Tresen und fängt an die Stammgäste und mich pentrant, dümmlich und stressig vollzuquatschen. " Ehj sach ma ehj findste nich och und also wirklich ehjblablablastressnerv seier...". " Hej! Du kannst hier gerne noch ´n letztes Bier trinken, solang ich hier noch beschäftigt bin, kein Problem- aba nerv bitte nich, ok?" " Heijj, auf was für nem Aggrotrip bist Du denn, Mensch, ehj ich wollt doch nur n bisschen blaa blaa blaa und meine Mutter und also... die Leute hier in Berlinbalblablahhhh...". Meine Kollegin und ich sehen uns an. Ein kurzes Zucken mit den Augenbrauen. Ein aggresives Kiefermahlen, dass sich in den Wangenmuskeln abzeichnet und der Anflug eines gemeinen Lächelns. ´Ja, O.K. Er hat es sich verdient .´ ´Hej sei fair, wart noch bischen, vielleicht reisst er sich ja zusammen.´
Der Sack blubbert und nervt weiter, erzählt Scheisse die keiner hören will und alle versuchen, ihn zu ignorieren. ´Hmm. OK´.
Sie fängt an, ein bisschen auf sein Gespräch einzugehen, um ihn in Sicherheit zu wiegen , sein Vertrauen zu wecken, ihn ´einzubeziehen´. "Mensch wirklich? Erzähl mal." Er merkt nichts.
Ich nehme eines der Whiskey-Gläser aus dem Regal, gehe an das Schnapsregal in der Ecke. Die Flasche mit dem Körper verdeckend giesse ich ( nach einem Blick auf die Statur des Patienten) 6-7 cl von dem 80%igen Strohrum in das Glas, zerschneide und zerquetsche gründlich eine ganze Limette- das übertönt den starken Rumgeschmack, tue sehr viel Eis ins Glas, damit die Cola das Ganze nicht zu sehr verdünnt. Währenddessen schwallt der Kerl gnadenlos weiter und seiert und sülzt. Meine Kollegin macht gute Mine zum bösen Spiel, wie man so sagt. Mit einem Schluck Cola fülle ich das Glas auf.
Belanglos und dezent geselle ich mich zu dem Grüppchen. Liebenswürdig lächle ich dem Arsch zu, ganz Dienstleister. Der Affe hat mittlerweile angefangen, einen Stammgast anzupöbeln. " Ehj Mensch, hör doch mal zu ehj, ich weiss wo es lang geht, ich kenn mich richtig böse aus, Alta. Aba hallo und Du sei ma nich so aggressiv ehj, entspann Dich doch mal, weisste, echt, mal ,weisste."
Wohl an, es sei!- mein Auftitt: " Ach Mensch iss det anjenehm, wenn der Laden endlich leer iss. Wissta wat? Ick jeb eenen aus! Willste och eenen?" und stelle ihm das Glas vor die Nase. " Ach Danke, Mensch siehste der hier iss nich so wie du, der iss vielmehr so mit good Vibes un so det hat mir der Rasta da heute erklärt und ick bin nich schwul, aba Du siehst so aus...." " Prost!" " Ja, Prost , Mensch ach wissta also Mensch nee schwall laber sülz quatsch dumm rum nerv und hör nich uff".
Unter freundlichen, aufordernden Gesten und häufigem Zuprosten leert der Bürger seinen Drink innerhalb von zehn Minuten. Sein Redefluss beginnt zu stocken. Er verliert ein paarmal den Faden. Er fängt an zu lallen. Er verliert öfter den Faden. Er fängt an stärker zu lallen. Zwischendurch starrt er kurz hypnotisiert vor sich auf den Tresen. Sein Lallen wird unverständlich. Er setzt sich erstmal. Es iss echt nett hier gefällt ihm guuhd. Und endlich - schweigt er.
Er starrt langsam und mit hängenden Lidern von einem zum anderen. Wir rauchen und lächeln freundlich. Er schweigt.

Irgendwann hat das Päärchen ausgetrunken und will los. Sie bezahlen und machen lustige Witze mit ihrem Begleiter. Sie haken sich bei ihm ein und wollen aufbrechen. Ihre Freund verliert beim Aufstehen das Gleichgewicht und reisst die beiden um. Sie lachen. Er nicht. Vor ihm steht nur noch sein halbleeres Bierglas. Die beiden wundern sich, als sie endlich draussen sind. Vorhin wirkte ihr Kumpel doch noch halbwegs fit. Naja, Gute Nacht und vielen Dank nochmal. Sie winken, bevor sie aus unserm Blickfeld verschwinden. Ihr Kumpel nicht. Ich habe Feierabend.

Pate

Seitenanfang

Inhalt

Home

mail to:wb13@bigfoot.de