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Kür alle Fälle

Eine Kurzgeschichte von Lukas

Langsam schlenderte Brunon Mock Amalit über die Mondoberfläche. Kleine Steine schoben sich in den grauen Staub unter seinen Schritten. Er suchte sich einen Platz mit guter Aussicht. Und er fand ihn.
Die kahle Umgebung zeigte nur einige niedrige nackte Felsen. Einer davon, er mußte gut drei Meter hoch sein, bot ausreichend Sitzfläche für ihn und seinen Raumanzug. Darauf bewegte sich Amalit zu und machte es sich bequem.
Sein Heimatplanet Randan war in voller Pracht zu sehen.
Die Randaner glichen den Menschen. Der einzige Unterschied bestand darin, daß sie anstatt fünf beweglicher Finger nur zwei Steife hatten. Mehr oder weniger waren es Klauen. Aber wenn man damit aufwächst, lernt man auch diese eindrucksvoll zu nutzen.
Brunon Mock blickte auf seine Sauerstoffanzeige. Noch vier Stunden Luft. Das war O.K. und nicht zu lange.
Er dachte über die Anfänge der Raumfahrt nach. Damals hatte sich die halbe Welt unter einer Führung aufgemacht, ein Programm zur Erforschung ihrer drei Monde auf die Beine zu stellen. Dies war nun der erste Versuch.
Zusammen mit drei Kollegen schickte man Amalit in einer viel zu engen Raumkapsel los. Seine Teilnahme hatte sich erst zwei Tage vor dem Start ergeben. Der vorgesehene Geologe lag mit einer schweren Grippe im Bett. Da er als Ersatzmann das ganze Training mitgemacht hatte, fiel es ihm nicht schwer, in die Mission einzusteigen.
Man veräppelte ihn zwar immer während des Trainings, aber nun war er doch dabei. Er hätte stolz sein können.
Eigentlich sollte er die Berge und Täler vermessen, aber das schien für ihn jetzt keine Bedeutung mehr zu besitzen. Er schritt daran vorbei und beachtete sie nicht einmal. Randan hob sich blau leuchtend, in seiner unendlichen Ruhe um sich selbst drehend, vom schwarzen Hintergrund ab. Er konnte erkennen, wie der zweite Mond gerade eine Sonnenfinsternis auf dem Planeten erzeugte. Atemberaubt drückte er sich mit der Rückwand seines Anzugs in den Stein. Langsam kam Angst auf. Gerne hätte er jetzt seine Familie bei sich gehabt. Seine Frau und die beiden Kinder. Aber es war nicht möglich.
Stationen seines Lebens wanderten durch seinen Kopf. Über einige mußte er lachen, über andere fast weinen. Es endete beim Startvorgang.
Sie saßen gespannt in ihren Sesseln. Als der Countdownzähler die Null ausrief, spürten sie den ersten Andruck. Er wurde immer stärker. Dann, als sie schon meinten sie würden es nicht mehr aushalten, sprengte sich die erste Antriebssektion ab. Der Druck wich kurz von ihnen und setzte erneut ein, als die zweite Düse gezündet wurde. Diesmal empfanden sie es nicht so stark.
Alles klappte hervorragend. Sie schossen aus ihrer in die Umlaufbahn des Mondes und umrundeten ihn ein paar mal. Der Captain des Schiffes hatte es furchtbar eilig. Er wollte so schnell wie möglich landen. So kam es, daß sie eine Stunde vor dem Zeitplan auf dem ersten Mond aufsetzten. Der Erste stieg aus und verkündete einen Satz, den man Jahrzehnte später noch zitieren würde. Überhaupt würde man noch lange über diese Mondlandung sprechen. Mock mußte auflachen, als er daran dachte, wie der Zweite aus dem Cockpit trat. Er wollte auch gerade einen klugen Satz loswerden, als er an der letzten Stufe der Gangway mit dem Fuß hängenblieb. Er landete er in voller Länge auf dem Boden. Dabei wurde der Erste noch von dem Zweiten berührt und flog wegen der geringen Schwerkraft einige Meter weit weg. Auch er machte soetwas wie einen trockenen Bauchplatscher.
Brunon war der Dritte. Er sprang heraus und half den Liegenden wieder auf die Beine. Dann winkte er, wie er jetzt fand, recht dämlich in die Kamera der Raumkapsel. Laut auslachen oder zusammenpfeifen konnte man niemanden, denn ganz Randan hörte mit oder schaute zu. Die einzelnen Raumanzüge hielten die Verbindung zueinander. Deren Funkwellen wurden dann von der Kapsel aufgefangen und zum Planeten gesendet. Und von dort auf alle verfügbaren TV und Radiokanäle. Die schwache Energieleistung der Anzüge hätte es niemals selbst bis Randan geschafft.
Der Gefallene sagte zur Entspannung, daß es hier sehr rutschig sei und er sich die Putzfrau vorknöpfen wolle. Nun hörte man das befreite Lachen aus der Zentrale. So machte sich dann jeder an seine Arbeit. Einer mußte im Schiff bleiben und dort warten. Kleine Experimente folgten. Nach drei Stunden gingen sie zurück und quälten sich wieder in die Enge ihres Transportmittels. Nur der Geologe blieb noch draußen und machte Vermessungen. In einer Stunde wollte er nachkommen.
Und dann passierte das, womit absolut niemand gerechnet hatte.
Brunon Mock Amalit kam an einem Platz vorbei, von dem aus er die Mama, wie sie den Raumflugkörper inzwischen nannten, in voller Größe sehen konnte. Sie war das beste technologische Erzeugnis, das es bis jetzt gab. Die abgerundete Bugplatte sorgte für bestmögliche Druckverteilung beim Wiedereintritt in die Atmosphäre. Die Außenhülle bestand aus dem stabilsten und leichtesten Material der Neuzeit. Sogar die Computer übertrafen jegliche Systeme auf Randan, was die Leistungsfähigkeit anging..
Mock stand also da und betrachtete die Mama. Das Herz rutschte ihm in die Hose, als er ein Blitzen am Himmel ausmachen konnte. Es war ein Metereoit, der aus dem Schatten des zweiten Mondes trat. Er mußte unglaublich schnell näher kommen. Der Raumfahrer konnte erkennen, daß er genau die Kapsel treffen würde.
Der Geologe schrie noch die Männer sollten sofort rauskommen. Doch es war zu spät. Gerade als sie neugierig die Köpfe aus der Türe streckten schlug der Stein aus dem All auf das Raumgefährt ein. Geistesgegenwärtig warf sich Brunon hinter eine Felsmauer, die aber langsam abgetragen wurde. Die letzten Ausläufer der Druckwelle erreichten seinen Körper und wirbelten ihn nach hinten. Das strapazierfähige Material des Raumanzugs trotzte wirksam der rüden Behandlung.
Dann rannte er zurück und vergewisserte sich der traurigen Wahrheit, daß niemand mehr am Leben war. Zuerst raste er hilflos umher. Später schrie er völlig sinnlos in die Sprechanlage seines Anzugs. Irgendwann brannte seine Lunge, und er mußte aufhören. Es folgte eine Zeit, in der er die Besatzung beschimpfte, besonders den Captain. Wenn sie den Zeitplan eingehalten hätten, wäre der Metereoit zwar trotzdem abgestürzt, aber ihnen wäre nichts geschehen. Und dem Schiff auch nicht.
Er erkannte aber, daß es zu spät für irgendwelche Schuldzuweisungen war und beschloß ruhig zu bleiben und suchte sich erstmal einen gemütlichen Platz. Da saß er nun auf seinem Fels und rechnete sich aus, daß, wenn sie es auf Randan mitverfolgt hatten, sie das zweite Schiff startklar machen würden und rechtzeitig zu seiner Rettung kämen. "Für alle Fälle", sagte der Projektleiter immer, wenn man ihn auf das Ersatzgerät ansprach.
Zwar wäre ihm vor ihrer Ankunft die Luft ausgegangen, aber vielleicht war noch soviel Zeit, um ihn wieder zu beleben. Aus diesem Grund versuchte er langsam zu atmen, um nicht zuviel Sauerstoff zu verbrauchen. In seinem Innersten machte sich langsam die Einstellung breit, daß sie nicht mehr kämen. Er hätte ihren Start ja sehen müssen, von seiner Position aus. Nach viereinhalb Stunden war kein Sauerstoff mehr da. Stickstoff ersetzte ihn. Die Augen drohten ihm vor Müdigkeit zu zu fallen.
Kurz bevor er endgültig einzuschlafen drohte tippte ihn etwas auf die Schulter und Brunon erwachte. Das Zimmer kam ihm bekannt vor. Mit einem Schlag fiel ihm ein, daß er nicht mitgeflogen war. Amalit war immer noch der Ersatzmann, und niemand war krank. Den Start hatte er verschlafen. Er wollte sich doch, nur etwas ausruhen. Sofort rannte Mock in die Zentrale. Noch saßen die Missionsüberwacher zurückgelehnt in ihren Stühlen.
Der Geologe bat den Mann an der Raumüberwachung um einen kurzen Check der näheren Umgebung der Monde. Von ihm erfuhr er auch, daß die Pioniere eine Stunden früher gelandet wären. Das war der erste Schock. Der zweite kam, als der Raumorter Großalarm gab. Ein Objekt wurde gesichtet. Es passierte gerade den zweiten Mond. Berechnungen liefen an. Auf die Fragen, woher er das wußte, ging er nicht ein. Seine innere Stimme sagte ihm, was passieren würde, und was er zu tun hatte, und daß er es schnell tun mußte.
"Für alle Fälle"

ENDE

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