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Allemann arschlecken

Oder: Wie ich ein Systemgegner wurde

Alles begann mit einem Störfall beim allabendlichen in-den-Schlaf-masturbieren. Wo sich sonst zügellose Phantasien die Hand reichten, um mir die Nacht zu versüßen, gähnte an einem das kommende nicht erahnen lassenden Abend ein schwarzes Loch. Ich geriet in Bedrängnis; unmöglich konnte ich ohne diesen Akt der Weltentsagung in das Reich des Schlafes eintauchen. Es war mir eigentlich unangenehm, aber ich durchforstete mein Hirn nach Resten postpupertärer Gewaltszenarien, die mich unter anderem mit meiner ehemaligen Russischlehrerin endgültig abrechnen ließen. Zwecklos. Sinnlos. Außer einem leisen Kopfschmerz stellte sich überhaupt nix ein. Dabei hatte ich den sexuellen Gleichmut, der diesem allabendlichen Ritual entstammte, zu schätzen gelernt, denn ich fühlte mich Tags darauf meinen Geschlechtsgenossen gegenüber unglaublich überlegen. Allein das Fehlen der Vorfreude auf diese Niedertracht ließ mich in dieser Nacht kein Auge schließen. Aus der entstehenden langen Weile heraus suchte ich nach den Ursachen für dieses Versagen.
Der Fall war völlig klar, man hatte mich meiner Phantasie beraubt und war auf dem wahrscheinlich besten Wege mit ihr unverdientes Geld zu scheffeln. Meiner aufkeimenden Furcht wich die anfängliche Wut, die ich verspürte, als mir noch nicht klar war, wie weit deren Einfluß bereits mein Privatleben zu infiltrieren begann. Sportlich ausgedrückt: Ich war am Arsch...! Just in der Sekunde, wo der noch folgende Schlaf zur Qual (ob seiner Kürze)werden drohte, fielen mir die Augen zu und mir träumte, daß ich mich nach meinem Tod am Scheideweg zwischen Himmel und Hölle stehend, gewohnheitsgemäß für den schwierigeren der beiden Wege entschied, damit aber völlig daneben lag und nach mehrstündiger Gebirgskraxelei, die einem wirklich jede Lust auf den Rückweg verdarb, geradewegs in den Pforten der Hölle landete. Gottseidank war mein Schlaf so kurz, daß ich nicht weiter Zeuge dieses ohnehin peinlichen Mißgeschickes werden mußte, und ich erwachte, wie erwartet, gerädert, wie es unser Herr Jesu nicht hätte schlimmer erleben können. Übellaunig tapste ich ins Bad und betrachtete den Menschen, der an diesem Tag auf den Rest seiner Leidensgenossen losgelassen werden sollte eindringlich in dem vor Abscheu beschlagenem Spiegel. Gegen das Badfenster schlug angriffslustig der Regen, der sich meiner auf dem Weg über das Blankenburger Feld sicher sein konnte. Nicht minder aggressiv verwies mich die Kälte in unserer Kühlküche aus den Grenzen des modischen Geschmacks, denn diesen menschenfeindlichen Untemperaturen konnte man nur mit dem Gebrauch häßlicher Unterhosen, alberner Wollmützen und frigidisierenden Wollpullis begegnen. Entsprechend entvorteilt begab ich mich auf den Weg in die Schule. Den mich erwartenen Regen hatte ich bereits erwähnt, nur muß ich der Vollständigkeit halber noch ergänzen, daß auf besagtem Feld selbiger sich in Hagel verwandelte und als solcher mir nach einem Totaltreffer das rechte Augenlicht raubte.
Egal, ich wollte ja nicht zu spät kommen...Wo sonst mein statisches "Mensch-Zweiter.-Klasse-Profil" unwillkommende Ansprechlinge auf Distance hielt, griff an dem damaligen Tage keines dieser Isolier-Versuche. Binnen weniger Sekunden war ich von einer Traube sensationsgeiler Typen umringt, die, ohne sich weiter an dem abwehrenden Hochziehen meines Naseninhalts stören, recht schnell begriffen, was letzte Nacht bei mir lief, oder besser nicht lief... . Ich kombinierte blitzschnell 1 und 1 zu 2 und begriff, daß es eine Verbindung aus meinem Schlafgemach zur Außenwelt geben mußte, die zu allem Überfluß anscheinend von dem gesamten Rest der Welt in Anspruch genommen wurde. Als dann die ersten Neunmalklugen anfingen mir ihre perversen Phantasien aufzudrängen, wenn auch in bester Absicht mir zu helfen, riß die Stahlausführung meines Nervenkostüms. Ein bestimmtes "Ich fänd's besser, wenn ihr mich jetzt in Ruhe ließet!"schreckte die Scharr auf mehrere Meter von mir weg. Das nun einsetzende bedrohliche Schweigen beschloß ich für ein Pamphlet zu nutzen. Den letzten Tropfen Würde aus meiner ach so unwürdigen Verkleidung wringend, verkündigte ich an Eidesstatt meine völlige Abkehr vom Sex und allen damit verbundenen Handlungen. Wie erwartet, wurde ich diskriminiert...Doch erst als man mir die Mitgliedschaft in der Rock'n'Roll-Gewerkschaft unter Angabe imagezersetzender Aktivitäten kündigte, war ich auch sozial in den Widerstand gedrängt worden. Mit einer in der Hosentasche zur Faust geballten Hand schlich ich nach Hause. Die ständige Repetition der ebend erlebten Szene auf dem Schulhof ließ mich am Ende zweifeln, ob ich wirklich den gewünschten Effekt auf meine Mitschüler erzielt hatte. Zuhause angekommen, empfing mich Arabella und meinte, wir könnten über alles reden. Aber da ich selbst bei den sie umgebenen Kameraleuten eine ausgemachte Langeweile (meinen Fall betreffend) zu vernehmen glaubte, wuchs in mir der Wunsch meine Umwelt von mir zu entlasten und ich schlug die Tür so schnell zu, das es keiner der ohnehin nicht wirklich hart an dieser Aufgabe arbeitenden Menschen schaffte, mir zu folgen. Aus dem sich unter meinem Fenster entspinnenden Gespräch zweier Teamkollegen dieses Senders, erfuhr ich auch die letztendlichen Zusammenhänge dieser mich bedrängenden Situation. Natürlich war alles inszeniert ,ausbaldowert und alle Bekannten informiert. Aber nach dem sichtlichen Fehlschlagen der Kampagne war man bemüht schnellstmöglich auf ein anderes krankes Individuum umzusatteln, weil augenscheinlich mit mir keine Einschaltquoten zu erzielen waren. Vorsichtige Prognosen dagegen hatten mindestens einen Amoklauf auf dem Schulhof, wenn nicht sogar einen tragisch-schön in Szene setzbaren Selbstmord auf dem Blankenburger Feld vorhersagen wollen. Tja, ich war nicht ihr Fall, was leider Gottes nichts an der mir entstandenen Situation des totalen Verlusts aller Menschenrechte änderte. Da ich auch des weiteren bemüht war, keinem der mir angedichteten Klischhees zu entsprechen, konnte ich mir noch nicht mal in Ruhe in meinem Zimmer die Pulsadern aufschneiden. Sofort wären die Gewehr bei Fuß bei mir einkavalleriert und hätten mich wohlmöglich noch wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen um ein anständiges Begräbnis gebracht.
"Allemann Arschlecken" ist, was ich in Sekunden wie diesen leise vor mich hin murmele, um dabei nicht wirklich jemanden zu stören, den mein Widerstand besteht in der völligen Entsagung, dem Nichterfüllen menschlicher Schwächen, der Verweigerung leicht zu begehender Wege. Das ich auf der Straße abgeschossen werden kann, ohne das der Cop den Kopp nach mir wendet ist ein Glied meiner Revolution, das ich noch verbessern muß. Wenn es mir gelingt, den Wert meines Leben unter dem einer Patrone zu bringen, dürfte allerdings auch dies geklärt sein. Bis dahin werd ich mich noch mal aufs Ohr hauen und meine Hand probehalber an mir herabwandern lassen. Vielleicht bin ich morgen der RÄCHER ...
Steiner

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