Seitenende

Inhalt

Home

Schnellkopulator festgeklammert!

Die Tage werden kürzer. Das gefärbte Laub fällt von den Bäumen. Ein ungemütlicher Wind treibt Sprühregen vor sich her. Und der Duft von Lebkuchen und Christstollen erfüllt die heiligen Hallen der Supermärkte. Die Zeichen sind eindeutig, die kalte Jahreszeit hat Einzug gehalten.
Nur leider schleicht sich die Kälte nicht nur um die Häuser, sondern auch der Seele läuft ein Schauer über den Rücken. Gegen die meßbare Kälte kann man heizen, zum Beispiel mit Kohlen. Doch wie wärmt man ein Herz?
Mit dieser Frage liege ich also Abend für Abend wach. Nacht für Nacht vergeht Stunde um Stunde und wenn ich einschlafe, dann nur weil ich mich in den Schlaf weine. So liegend erwäge ich tausend Ideen, wie ich eine warme Seele davon überzeugen kann, das unter meiner rauhen Schale durchaus ein liebenswürdiger Kerl steckt.
So lag ich eines Abends wieder da und versuchte Trost in einem Lyrikband zu finden. Aber vergebens. Nicht das ich zu wenig Gefühl für den zarten Reigen der gereimten Worte hatte, allein der Funke von Lebensfreude wollte nicht auf mich überspringen. Und so kam mir der Gedanke, daß Menschen seit Jahrhunderten den Lehrmeister Natur bemühen, um scheinbar unlösbare Probleme zu überwältigen. Und tatsächlich war ich im Besitz eines Naturführers; Flora und Fauna. Doch wo beginnen ? Noch inspiriert von den Gedichten versuchte ich mein Glück zunächst bei den Lebewesen, die als Symbol für das stehen, was ich suchte; den Rosen. Aber es gab keine Offenbarung. Ich blätterte so noch eine Weile, bis ich die Hoffnung verlor und versuchte meinen Gram in naturwissenschaftlichem Interesse zu ertränken. Dieser Gefährte führte mich zu den Krebstieren, was beweist, daß ich mich in mein Schicksal ergeben hatte, auch in dieser Nacht nur Schlaf aus der Erschöpfung meines Schluchzens zu erlangen.
Da vertiefte ich mich plötzlich in die Beschreibung eines nur 1mm großen Meeresbewohners, dessen Art den anschaulichen Namen Ruderfußkrebs trägt. Zunächst überkam mich Mitleid mit dem Tier, denn ich laß sein Paarungsakt nehme nur wenige Sekunden in Anspruch. Vielleicht mag es männliche Geschöpfe meiner Gattung geben, die das für von der Natur so vorgesehen halten und deshalb auch bestrebt sind diese Art der Kopulation in die Tat umzusetzen, ich jedoch lehne das ab und bemitleide beide, den Ruderfußkrebs und den Schnellkopulator. Als ich dann weiterlas durfte ich erfahren, daß die Männchen sich nach der Paarung an dem Weibchen festklammern. Das gefiel mir, denn ich wertete es für eine Geste der emotionalen Verbundenheit, die mir ob der so knappen Begattung auch angebracht schien. Doch leider wurde meinem romantischen Anspruch nicht genüge getan, denn wie ich weiter erfahren mußte, tat er es nur der Verteidigung seines Erbgutes wegen. Schade! - dachte ich und laß noch Erschreckenderes, denn das schien wirklich alles zu sein, was diesen armen Geschöpfen von Ruderfußkrebsweibchen in Puncto Sex in ihrem ganzen Leben beschert wird. Ja, denn ein Weibchen dieser Art widmet sich nur einmal in ihrem Leben um die ehrenvolle Aufgabe der Fortpflanzung. Eigentlich für beide Schade, dachte ich mir. Da kam mir der Gedanke; Was spiel' ich mich so auf, die sind wenigstens nicht allein. Zudem hat das Männchen sogar die Chance auf ein zweites Mal, ich hingegen nicht mal auf ein erstes.
Ob Ruderfußkrebse nun aus Fehlern lernen können, war nicht zu erfahren, weshalb ich annehme, daß das nicht der Fall ist. Aber diese Männchen scheinen an der Sache doch sehr viel Spaß zu haben, da sie dieses statistische eine Mal auf gar keinen Fall verpassen wollen. Denn sie greifen zu unglaublichen Mitteln, um zu sichern, was sie für ihr gutes Recht halten. Das Ruderfußkrebsmännchen klammert sich nämlich schon an ein jugendliches und noch nicht geschlechtsreifes Ruderfußkrebsweibchen fest, um nicht leer auszugehen, wenn die Damen der Schöpfung zu Frauen reifen.
Exakt, das mußte der Wink sein, auf den ich solange gewartet hatte und die Lösung lag so nah. Praktisch schräg über die Straße lag sie, in Form eines Gymnasiums. Ich müßte nur pünktlich zu Schulschluß dastehen und könnte unter den Früchten der Jugend wählen, wie auf einem Obstbasar. Hunderte Rosenknospen, nur erst vom Tau geküßt. Ja auch ein paar Stiefmütterchen, aber ich hatte ja die freie Wahl. Natürlich würde ich mich mit Geschick anschleichen, um dann mit einem finalen Satz auf den Rücken meines Opfers zu springen. Meine Umklammerung zu lösen würde ihr sicher nicht gelingen, denn all meine Sehnsucht, all mein Verlangen und all meine Entbehrung würden in dieser Umarmung stecken. Nein, loslassen würde ich nicht, um keinen Preis. Sie ist mein Ruderfußkrebswei... . Moment ! Was wollen die Idioten ? Die können doch nicht mein Glück zerstören. Ich habe mich doch so sehr darauf gefreut. Hatten sich etwa schon andere diese Knospe der Jugend auserkoren und waren nur zu bequem die verbleibenden Wochen oder Monate auf ihrem Rücken festgeklammert zu verbringen ? Dann sind sie es nicht wert ! ---

Nein, es war wohl medizinisches Personal einer Anstalt. So schreckte ich aus meinem Halbschlaf hoch und verließ mich auf bewährtere Methode meinen Schlaf zu finden; Weinen !

... nach Wärme sehnend, R.K.

Seitenanfang

Inhalt

Home

mail to:wb13@bigfoot.de