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Breit im Feld in Breitenfeld

(Dieser recht platte Wortwitz wird innerhalb des Textes dreimal mit Sinn erfüllt. Zwimal davon sogar auf recht witzige Art, darum lass ich ihn mal als Überschrift stehen.)
Diese Geschichte erzählte davon, wie ein junger Mensch nur Vergnügen suchte und lernt, dass "Spass haben" eine ernste Sache sein kann.

"Hhmmnngruwel buwel Müff1!" grunzte mich das besoffenen Schwein vor meinem Thresen an . Ich presste meine Kiefer zusammen, dass es schmerzte, zog dem Typen aber kein Ding in die Fresse, sondern gab ihm sein bestelltes -das vermutete ich jedenfall, war die Ursache seines Grunzens- Bier und hasste stattdessen die Leute, die eben zur Tür hereinkamen.
´Wieso verdammt?´, fragte ich mich,´Wieso muss ausgerechnet heute so schweineviel los sein in dieser Kneipe?´. Wissen Sie, es ist nicht so, das ich nicht gern arbeite oder dass es mich ä rgert, wenn viel los ist und ich darum viel arbeiten muss.( Hinweis für Literaturwissenschaftler: An dieser Stelle offenbart sich eindeutig der Unterschied zwischen lyrischem Ich und Autor als reale Person.) Dazu bin ich zu lang der sozialistischen Propaganda mit ihrer "Held-der Arbeit"-Prollstolz-Agitation ausgesetzt gewesen. Aber das ausgerechnet heute, wo ich früh Schluss machen wollte, sich der ganze Friedrichshain ausgerechnet bei uns besaufen musste und wieder kein Ende finden konnte, kotzte mich wirklich tierisch an. Schliesslich sollte an diesem Wochenende das Event des Jahres (neben Brieselang natürlich) stattfinden. Denn morgen früh wollte ich nach BREITENFELD. Aber Besoffner folgte auf Besoffnen, ich schenkte ein Bier nach dem andern aus und es wurde immer später. Scheisse!
Irgendwann endlich, gegen 7.30 Uhr , war der letzte Suffke aus dem Laden gebrüllt, alles sauber gemacht und ich genehmigte mir mit dem DJ noch einen schnellen Feierabend-Drink.. Nach zehn Stunden Arbeit setzt einem aber der Alkohol leider so dermaßen schnell zu, dass man den "Schnell-noch-n-Kurzen-auf´n-Feierabend"- Punkt sehr schnell versäuft und -schnips- besoffen ist. Ach! Fuck! Irgendwie war es plötzlich halb elf vormittags, ich strunzbesoffen und draussen schien die Sonne. Dabei wollte ich doch heute nach BREITENFELD. Wollte mir coole Bands anhören, Freunde treffen, Party feiern.
Mit zugekniffnen Augen torkelte ich also drch den hellen, warmen Sommertag nach hause und pöbelte unterwegs beim Bäcker ehrenwerte deutsche Mütter ob des übermässigen Oralaustosses ihrer süssen Kleinen an.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ich die bekloppte Idee, die ganze Strecke nach BREITENFELD mit dem Rad zu fahren canceln und einfach den Zug benutzen sollen, um dann frisch und munter dort anzukommen. Ich cancelte aber nur den Zeitplan und liess mich nach gefühlten zehn Minuten Schlaf telefonisch von meinem Fahrradhändler wecken, der mir mitteilte, die bestellte Sattelstütze (die alte war samt Sattel gestohlen worden und musste also noch auf den letzen Drücker durch eine Neue esetzt werden) wäre geliefert worden und ich könne sie jetzt abholen Was fürn Glück detse die uff Lager hatten, wann komm Se denn vor- bei...klicktututut. Wichser! Müde!!!
Das Ding mit dem Per-Rad-nach-Breitenfeld-fahren hatte ich mir nun mal in den Kopf gesetzt, und weil ich manchmal etwas starrköpfig und unvernünftig bin, stopfte ich also mein Zeug in die Radtaschen und machte mich auf den Weg. Hin zu diesem Radheinz, fehlende Sattelstange geholt, rüber zu Bike-Markus´ Werkstatt, da alles zusammengeschraubt, eingestellt und ab dafür...Scheisse! "Markus, ick krieg dieset Pissteil hier nich rin!"Ein prüfender skeptischer Blick vom Maestro: "Hmmm die ham det nich für diesen neuen gestelllosen Sattel konzipiert, det musste ausfeilen."Also fing ich an, zu feilen. Scheisse! ´Ich will doch nur nach BREITENFELD!´

Nachdem auch das irgendwann erledigt war, rauchte ich noch ein Horn und machte mich in die Spur Richtung BREITENFELD. Es war 18.00Uhr. Es waren (wie sich später herausstellte) 120 km nach BREITENFELD (und nicht nur 70). Ich hatte eine halbe Packung Zigaretten und 0,75 l Wasser in der Flasche. Es würde wahrscheinlich bald dunkel werden doch ich trug meine Sonnenbrille. Es war Schwachsinn. Ich fuhr los.

An ebendiesem Tag jedoch setzte die Dämmerung unglaublich früh ein. Viel, viel zu früh. Ich fuhr und fuhr und es wurde langsam abendlich, die blaue Stunde setzte gemächlich ein und das Brandenburger Land bot einen der wunderschönsten Sonnenuntergänge diesen Jahres. Gestern um diese Uhrzeit hatte ich gedacht, ich würde genau jetzt mit netten Leuten irgendwo im Prignitzer Land auf der Wiese liegen, Bierchen schlürfen, mir angucken, wie sich ein paar Punkbands auf der selbstgezimmerten Bühne zum Hans machten und selber langsam ins Delirium fallen...Ach Scheisse! Und was war? Nix! Ich war viel zu spät losgekommen, trotzdem übermüdet und es war noch schweineweit. Fuck!!!
Ich fuhr, was mein morbider Körper hergab, doch irgendwann war es so dunkel, dass mir wegen ständigem In-den-Grabenfahren,-weil-ich-nichts-mehr-sehe-scheisse-ist-das-dunkel-das-kennt-man-als-Stä dter-garnicht-mehr nichts weiter übrig blieb, als mich irgendwo im Prignitzer Land auf einen Acker zu hauen und mir im Schlafsack noch n Pfeifchen einzuhelfen und die Nacht also irgendwo am Arsch der Welt zu verbringen- einsam und allein in der Wildniss. Selbstverständlich hatte ich keine Beleuchtung dabei. Und als ich da so breit im Feld, aber noch lang nicht in BREITENFELD lag und mir den honiggelben Mond beguckte dämmerte in mir eine tiefgreifende Erkenntnis: ´Spass haben kann eine ernste Sache sein!´. Na ja morgen! Morgen... morgen würde alles gut werden!

Ja lieber Leser! und was für ein Morgen! Sie müssen wissen, BREITENFELD ist ein Ort der moralischen Erbauung in dem noch etwas für die seelisch-geistige Entwicklung des jungen Menschen getan wird. Es gibt sportliche und touristische Aktivitäten, Diskussionsforen, Hobbytreffs und dergleichen mehr. Junge Musikschaffende zeigen ihr Können, Kulturgruppen tragen Eingeübtes vor usw. Das hatte mir jedenfalls der Handzettel mit der Einladung versprochen. Ein Wochenende im Geiste W. Piecks gewissermassen. Und wenn dem so sein sollte, war dieser wunderbare Landmorgen eigentlich genau das Richtige, um meinen Aufenthalt dort zu beginnen. Die letzten 35 km waren mit frischen Kräften schnell überwunden und so fand ich mich alsbald auf dem Veranstaltungsgelände, einem kleinen Bauerngehöft in einem gottverlassenen Käffchen tief im Wald, wieder.
Aber was für eine Enttäuschung! Als ich auf den Hof des alten Anwesens kam, sah ich als erstes eine Gruppe zerrissen und dreckig gekleideter Jugendlicher mich hohläugig aus einem Haufen Unrat und leerer Bierflaschen heraus anstarren. Und in ihrer Runde kreiste eine unförmige, dicke Zigarette, die sicher Drogen enthielt. Ihr unverständliches Gerede deutete jedenfalls darauf hin. Ich war schockiert. Doch ich ließ mir nichts anmerken . Mit Drogenabhängigen ist nicht zu scherzen. Auch wenn einer von ihnen, ein gewisser M., krank vor sich hin kicherte. Das, was sich mir her bot, war nicht witzig.

Ach, lieber Leser, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie degeneriert und verkommen die Leute entgegen all meinen Erwartungen in diesem BREITENFELD sind! Als ich mir einen Lagerplatz für mein Gepäck und mein Zelt suchte, schälte sich neben mir plötzlich eine abgemagerte Person aus einem Haufen Lumpen, starrte erst mich wortlos mit geröteten Augen an und dann längere Zeit orientierungslos in die Gegend. Kurz darauf kroch mein alter Freund R. unter einem Busch hervor und stöhnte etwas von üblen Kopfschmerzen und Ruhe. Es war schrecklich. Aus immer mehr Zelten und Winkeln krochen immer amorphere und morbidere Gestalten hervor, die mit glühenden Augen nach Wasser zu suchen begannen, um ihre von Drogen ausgedörrten Körper doch noch am Leben zu erhalten.
Was sollte ich tun? Das, weswegen ich hergekommen war- ich fing an mich stetig und konsequent zuzusaufen und zu bekiffen.
Es war wunderbar. Die Sonne brezelte vom Himmel (Woher auch sonst, Du Affe!-sic). Das Bewusstsein fing an sich zu veränderen und langsam begann ich die Gespräche der Leute um mich herum zuverstehen. Ich begann überhaupt zu verstehen. Dies war kein Haufen, degenerierter Säufer- und Kifferassis, sondern eine extrem elitäre, radikalintelligente Clique Ausserirdischer, die von den Körpern meiner Freunde und Bekannten Besitz ergriffen hatte. Die Punkscheisse die aus dem ALDI-Recorder quoll war, wie mir langsam bewusst wurde, eine raffinierte Mental-Schwingungs-Manipulation auf akustischer Basis, die das Bewusst- und das allgemeine Sein überhaupt in Kontakt mit ewigen und umfassenden Wahrheiten und Evolutionierungsprozessen vom anderen Ende der Zeit brachte. Gegen zwölf Uhr etwa dämmerte ich völlig fett weg. Ich hatte es geschafft. Ich war breit im Feld in BREITENFELD. Ich freute mich auf das, was da vielleicht noch kommen würde...

Laut, schrill und ungemein aggressiv schrie mich eine Trillerpfeife aus den süssen Träumen von Honigmilchbächen und Bienchen und forderte massiv Aktivität. Durch die schmalen Schlitze zu denen sich meine (wie sie selbstbehaupteten) weit aufgerissenen Augen bewegen liessen, sah ich eine kleine bierbäuchige Figur, mit Anglerhut, kurzen, blauen Turnhosen und weissen Feinrippunterhemd die lauthals und dominant verkündete, das Sportfest würde jetzt beginnen und alle müssten sich jetzt sofort und auf der Stelle daran beteiligen. "Husemeähhmumpfhusebähhhh!" war die allgemeine Antwort. Doch mit der Penetranz eines Saigoner Feuerzeugverkäufers setzte das Männchen seine "Los mach jetzt mit! Es ist Sportfest!"-Kampagne weiter fort und um endlich wieder Ruhe zu haben, gaben einer nach dem anderen letzten Endes alle nach.. Das Prinzip "Wenn Du nicht meine Produkte kaufen willst, musst Du Dir eben deine Ruhe erkaufen!" hatte wiedermal gesiegt. Aber es war grausam. Grausam teilzunehmen und noch grausamer zu sehen, wie diese versoffnen Assis sich schon bei leichtester körperlicher Betätigung quälten.
Stumpfsinn ist die Mutter aller Sportarten und so standen sich nach kurzer Zeit zwei Gruppen Debiler gegenüber und zerrten schwitzend und ächzend an einem langen Stück Kunststoffseil -natürlich in verschiedene Richtungen und ebenso natürlich ohne irgendwas zu erreichen. Lennie Rieffenstahl hätte all ihre Filme verbrannt und hätte den Rest ihres Lebens Schmetterlinge gesammelt, wenn sie den sich hier offenbarenden Kern von Wettkampf und Sport gesehen hä tte. Die Hitze war mittlerweile unerträglich geworden und selbst das Öffnen einer Bierflasche trieb den Leuten den Schweiss unter die Achsel, aber um der psychischen Gewalt des Organisators zu entgehen absolvierten die Leute Sportart für Sportart. Höhepunkt des Ganzen sollte sogenanntes Bauernkegeln sein- ein sinnloses Umherwerfen von Holzstücken- mit anschliessendem Bad in einem eigens angestauten Bach. Raffinierte Logistik ( ein schaukelnder Kleinlaster, von einem Betrunkenen über Waldwege aus knöcheltiefem, feinen Sand gefahren) beförderte die betrunkene Meute also tief in den Wald zu dem genanten Strom und alle hofften auf ein Ende des sportlichen Märthyriums und ein erfrischendes Bad. Der Bach entpuppte sich aber leider als lächerliches, von Brennnesseln überwuchertes Rinnsal womit die ganze Badeaktion platzte, aber das nahende Ende des Sportfestes und der massive Alkoholpegel liess die Leute gnädig über diese üble organisatorische Panne hinwegsehen und so verbrachte man den Nachmittag lustig schwatzend, trinkend und kiffend in der Wandervogelidylle des märkischen Kiefernwaldes, breit im Feld nahe BREITENFELD. So brach langsam und entspannt der Abend herein, es gab auch heute einen wunderschönen Sonnenuntergang, den man- wieder zurück im Veranstaltungsgelände- bei Grillerei und Trinkerei und Schwatzerei genoss in Erwartung des für den Abend geplanten Kulturprogramms in Form von Darbietungen verschiedenener Musikgruppen.
Dazu kann ich aber leider nicht viel sagen, denn das ganztägige, kontinuierliche Saufen und Kiffen mündete bei mir gegen Eibruch der Dämmerung in den Verzehr einer Flasche Aldi-Rum mit River-Cola und dieser wiederum landete nach kurzer Zeit gemixt mit den angedauten Grillwürstchen und viel Magensäure in einem Strauch nahe meines Schlafsacks. Nun gut- Plansoll erfüllt: breit im Feld in Breitenfeld.
Und am nächsten Morgen also war auch ich Teil der Horde amorpher und morbider Gestalten die eigentlich Ausserirdische waren. Ich war DABEI, ich war in BREITENFELD.
Lieber Leser, liebe Leserin ich glaube, Sie haben nun gelernt, das Breitenfeld kein Ort, sondern ein Zustand ist, das Spass haben einer ernste Sache sein kann und wenn auch Sie ein Teil all dessen werden wollen, sind sie nächstes mal herzlich eingeladen nach BREITENFELD.
Ihr Pate

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