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Qualität aus Brandenburg - Gemüsegangster entlarvt

Nachdem mein hochgeschätzter Kritzelkollege hau in der letzten Ausgabe die Tücken und Finessen eines morgendlichen Besuchs in einer Teigwarenverkaufsstelle angerissen hat, kam mir der Gedanke, doch auch mal in anderen Läden des täglichen Bedarfs Auge und Ohr weit aufzusperren, um ähnliche Begebenheiten wiederzugeben.
Qualität aus Brandenburg
Gemüseläden gibt es zuhauf. Gute Gemüseläden dagegen schon seltener. Es gibt die gerade von unseren türkischen und vietnamesischen Mitbürgern oft favorisierte Variante des Gemüsestandes inklusive nervenzerreißendem Gebrüll: “Heute alles nur eine Mark!” oder “Erdbeeren fünf, Orangen drei!”. Wenn ich selbigen Stand mit brüllendem Inhaber passieren muß, wird mein Schritt behende und ich versuche jeden Blickkontakt zu vermeiden, um nicht als Verursacher der Schreierei ausgemacht zu werden oder schlimmer noch, zehn Kilogramm Bananen zum Preis von sechs angeboten zu bekommen. Um diese Art von Gemüseläden soll es aber hier nicht weiter gehen. Im Zentrum meines Interesses soll hier der orginäre deutsche Gemüseladen stehen, der auch gerne mit Qualität aus Brandenburg wirbt. Warum auch nicht. In einem solchen fand ich mich eines schönen Tages wieder, um kostbare Zutaten für einen schmackhaften Eintopf zu besorgen. Vor mir stand eine ältere Dame, die sicher um die knappen Rescourcen in der Nachkriegszeit wußte und dieses Trauma verarbeitete, indem sie sich Kartoffeln für 5,99 das Kilo aufschwatzen ließ.
ließ. Auch ich war kurz vorher noch mal bei der Sparkasse gewesen, weil ich weiß: Brandenburger Qualität kostet. Dann passierte es: die alte Dame versuchte hektisch ihr sauer Erspartes wegzustecken, als die junge Dame hinterm Ladentisch ihr mit wissender Miene bekannt gab:”Machen se in Ruhe, hier rennen doch nur Ganoven rum, Zigeuner und allet sowat. Da muß man imma uffpassen.” Dabei blinzelte sie mir verschwörerisch zu, worauf ich auf den mickrigen Brandenburger Paprika für 6,99 das Kilo neben ihr starrte und mir zwei Sachen in den Sinn kamen. Erstens sollte ich unbedingt mal wieder Gulasch kochen und zweitens blieben meine Gedanken dann an dem Wort Zigeuner hängen. Das sie sich mit diesen zwei Sätzen eine treue Kundin gesichert hatte, muß ich hier nicht näher erläutern. Richtigerweise hat die Verkäuferin diesen Ausdruck mittelalterlicher Sprachschöpfung im Zusammenhang mit Ganoven genannt. Vor ungefähr 400 oder 500 Jahren legten nämlich die geistigen Vorreiter der mitteleuropäischen Spezies fest, Sintis und Romas mit dem Begriff Zigeuner sprich: ziehende Geuner bzw. Gauner zu belegen. Innerlich staunte ich nicht schlecht, was für intellektuelle Hochkultur selbst in Gemüseläden herrscht. Mit Schalk im Nacken könnte ich jetzt behaupten, daß ihr Gemüseladen (bei den Preisen) nach ihrer Logik dann den Ausdruck Stehgeuner verdient hätte, aber das wäre einigermaßen albern.
Was bleibt ist das Resümee, daß wo sich Brandenburger Qualität und exzellentes Wissen um die mittelalterliche Geschichte paaren Vorsicht geboten ist. Wer will schon vom Inhaber des Tabakladens eine Lektion in altgriechischer Hiroglyphenkunde bekommen.

H.S. = gak

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